Pressemitteilung NABU Waiblingen e.V. vom 17. Mai 2016
Gartenschau 2019 – Beschluss Gemeinderat Waiblingen vom 12. Mai 2016
Operation gelungen – Patient tot!
Die Operation hat der Gemeinderat Waiblingen mit seiner Zustimmung zu den Waiblinger Beiträgen zur Remstal-Gartenschau durchgeführt. Der Patient und in diesem Fall das Opfer, ist die Wiesenlandschaft der Waiblinger Talaue. Mit seinem Beschluss hat der Gemeinderat eines der letzten Überbleibsel der alten Kulturland-schaft der Talaue zum Untergang verurteilt.
Ein wirklich wertvolles Element der Waiblinger Talaue sind diese letzten verbliebenen stadtnahen Freiräume. Zudem sind es auch ökologisch bedeutsame Wiesenflächen die dem Charakter von besonders geschützten FFH-Flachland-Mähwiesen sehr nahe kommen. Zur Zeit des Vogelzugs sind dort sogar gelegentlich seltene Vogelarten wie Wiesenpieper und Braunkehlchen zu beobachten.
Flachlandmähwiesen (Wiesen, die gemäht werden, die einen Blütenreichtum besit-zen, also nicht die üblichen Park-, Zier- und Scherrasen) sind EU- geschützte Bio-toptypen, da echte Wiesen inzwischen extrem selten geworden sind. Wiesen sind nicht nur seltene Biotoptypen, die mit ihrer botanischen Vielfalt (Blühreichtum) Grundlage für Insektenreichtum (Insekten!!), und damit Vogelwelt darstellen – sondern bieten eine wohltuende Ruhe und ein optisches Erlebnis der Weite und Schlichtheit, das im Siedungsbereich, in Ballungszentren mit seinen Straßen, Bauten, Werbung und Beschilderungen von unersetzlichem Wert ist.
Dort, wo nun eine kreisförmige Kunstpflanzung aus Hochstammbäumen geplant ist, ist bereits eine Kulturlandschaft. Man muss nur einmal vor Ort gehen und sie entde-cken.Anscheinend geht man nicht mehr raus, sondern schaut sich bunter Power-point-Bildchen an. Die alten verfüllten Remsschlingen sind an den feinen Höhenunterschieden, den Vertiefungen in den Wiesenflächen und dem Wechsel von etwas trockeneren Salbei-Glatthaferwiesen und feuchten Wiesenfuchsschwanz- Silgen- und Seggenwiesen sichtbar. Die ehemaligen Ufer der Remsschlingen sind heute noch optisch sichtbar durch die verbliebenen Streuobst-Doppelreihen.
Warum muss diese Wiesenlandschaft mittig gefüllt werden?
Ein Horror vacui der Planer? Die Scheu vor der Leere?
Eine Planung am Computer, Planung auf dem Luftbild?
Oder waren alle (Planer wie Gemeindrat) gar nicht vor Ort?
Was als graphisches Muster auf dem Plan die (schrecklich leere!!!) Fläche füllt, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Hunderte von Bäumen in Kreisen bilden keine Waldlichtung. Selbst, wenn sie ver-dichtet stehen, ist das kein Wald und wird auch keine Waldlichtung bilden. Wald benötigt etwa 100 Jahre Entwicklung bis er aus dem Stangenholz aus- und zusam-menwächst und dann aus Unterholz und mehrschichtigen Baumbestand sich zu einer geschlossenen Masse verdichtet und zu einer Wand schließt, um darin die geplante „Lichtung“ für Literaturlesungen(!) zu beherbergen.
Die Frage ist, wollen wir überhaupt an dieser Stelle einen Wald – dort, wo jetzt die Wiesen einen weiten Blick zulassen? Und das zu diesen völlig außer Rand und Band geratenen exorbitanten Kosten? Lassen Sie sich nicht durch Plangraphik und blumige, aber inhaltsleere Worthülsen von „Kunstlichtung“ täuschen, gehen Sie vor Ort.
Nachdem es die Stadt schon fertig gebracht hat, durch unangepasste und mit dem Naturschutz nicht abgestimmte Pflegemaßnahmen, die in der Talaue brütenden Nachtreiher (Rote Liste 1 !) zu verjagen, sind auch die Tage dieser verbliebenen Freiflächen gezählt.
Jetzt wird dieser dort noch weite Horizont auch noch eingeengt und zugestellt. Mit den 600.000,- € werden dann 300 Hochstamm-(Weiden???) mit Tiefladern aus Hol-land her transportiert, um dort eine sogenannte „Kunstlichtung“ entstehen zu lassen. Schon die Begrifflichkeit selbst zeigt deren fehlenden Ortsbezug. Man braucht dort keine Kultur hinzutragen. Sie ist schon dort. Man versteht das aber offensichtlich nicht mehr. „Kunst“ vernichtet Kultur, wenn man mit solchen Spielereien das Vorhandene überprägt. Nur einige wenige Mitglieder des Gremiums haben wohl kritische Fragen gestellt. Dafür sei gedankt.
Das zeigt die realitätsferne Abgehobenheit der Planung sehr deutlich. Statt die vor-handenen ökologischen Potentiale dieser Auenlandschaft weiter zu entwickeln und zu fördern, wird ein modernistisches Konzept entwickelt, mit bunten Powerpoint-Folien illustriert und fertig ist die Planungstütensuppe. Fertig sind honorarintensive Lösungen die in erster Linie dem Planer selbst und den ausführenden Firmen nutzen. Zahlen tut ohnehin der Steuerzahler.
Es scheint eine gängige Idee, geradezu eine Unsitte der Planer zu sein, dass man sich bei der Remstalgartenschau überall der bereits vorhandenen Werte bemächtigt. Man sucht sich die schönsten Stelle aus (Relikte der Natur- und Kulturlandschaft, ein Bergsporn, eine Wiesenaue, ein … ) und setzt auf „Inszenierung“ und „Überhöhung“ mit Steg, Plattform, Erlebnisweg, Terrassen und Bäumchenrondel. Kurz, statt selbst Werte zu entwickeln, hängt man sich irgendwo an und bedient sich so der vorhandenen landschaftlichen Werte. Und zerstört sie damit. Offensichtlich aber ein Rezept mit dem man Verwaltungen und Räte überzeugen kann.
Anstatt alte Sünden und Landschaftsschäden zum Ausgangspunkt der Planung zu machen, fischt man in fremden Gewässern.
Es gäbe durchaus noch Entwicklungspotential.
Auch das was unter der Begrifflichkeit Bürgerbeteiligung in dieser Sache gelaufen ist verdient nicht diesen Namen. Bürgerbeteiligung sieht anders aus. Hier braucht die Stadt offensichtlich noch reichlich Nachhilfe.
Das ist aber offensichtlich bei dem Thema der Remstalgartenschau überall so. Die Aussichtsplattform in Kernen braucht auch Niemand.
Die „Kunstlichtung“ für 600.000,- € braucht ebenfalls Niemand. Zudem werden hohe Pflege- und Unterhaltskosten anfallen. Wo sind die Alternativen? Wurden umwelt- und artenschutzrechtliche relevante Belange überhaupt geprüft? Wohl nicht wirklich!
Entscheidungen mit verengtem Horizont sind nie gut. Die innerstädtische Talaue ist es wert nachhaltig behandelt zu werden. Das ist hier eindeutig nicht geschehen.
Man hätte mit dieser Summe einen dauerhaften Mehrwert zugunsten des Naturer-lebnisses der Waiblinger Bürger in der Talaue schaffen können. Eine weitere Chance ist vertan!
Kommentare sind ausdrücklich erwünscht!
Es ist immer wieder das Selbe: Der Mensch maßt sich an, mit der Natur das zu machen, was er will und ihm vordergründig am Meisten bringt. Sei es Glyphosat oder Eingriffe in die natürliche Landschaft für die dann „Ausgleichsgebiete“ bearbeitet werden.
Im Fall Glyphosat ist es so, daß lediglich und einseitig der Aspekt: „Ist es für den Menschen krebserregend oder nicht“ diskutiert wird, und daraufhin gewiesen wird, daß das Mittel doch viel Arbeit mit Hacke oder Pflug spart, gleichzeitig aber verschwiegen wird, daß die Leid tragenden die Insekten und Schmetterlinge und damit auch die Vögel sind. Das Vorkommen dieser Tierarten hat in den vergangenen 25 erschreckend abgenommen und nur noch 1/3 der Populationen von 1989 führt ein mehr oder weniger bedrohtes Dasein.
Damit bin ich bei der Remsgartenschau 2019. Diese ist wieder so ein Punkt. Unter der falschen Annahme , daß neu geschaffenen Attraktionen den Tourismus fördern, werden Biotope zerstört. Es ist eine absurde Idee, daß die restlichen verbliebenen einigermaßen natürlichen Ruhezonen, wie in Waiblingen hinter dem Talaue Weiher „durch einen Wanderweg erschlossen werden sollen“. Die prächtigen Wiesen in der gleichen Gegend sollen mit Bäumen zugestellt werden , die, auch wenn es Weiden sind, da nicht hingehören. Sie verstellen den Blick auf die historische Kulisse und rauben im o.g. Sinn Insekten und Vögel(Reiher, vielleicht eines Tages auch wieder Störche) ein weiteres Stück ihres Lebensraums.
Statt einer Kopfgeburt wie „künstliche Lichtung“ sollte man , wenn schon etwas umgemodelt werden muss, Biotope einrichten. Die gehören in die Landschaft! Die ehemaligen Remsschlingen geben die Orte dafür schon vor.
Und was sollen die Basaltbrocken im Remstal? Es gibt örtlich mehrere Steinbrüche mit einheimischem Kalkstein. Aus diesen aufgelassenen Ressourcen könnte man Material für Aussichtsplattformen gewinnen, ohne über hunderte von Kilometern ortsfremdes Material her zu karren mit einem extremen Ausstoß von Dieselabgasen.
Ich kann nur hoffen, daß es noch nicht zu spät ist, die Pläne zu überdenken. Es geht nicht um den Wettbewerb möglichst viel (Steuer)-Geld zum Fenster hinauszuwerfen, sondern qualitativ etwas Bleibendes zu schaffen, das auch unsere Nachfahren erfreut. Noch ist Waiblingen nicht wie die Abrisshauptstadt Stuttgart, in der Kulturzeugen unwiederbringlich kaputt gemacht werden.
Dr.Helmut Vidal Waiblingen 28.7.2016
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