Von der ökologischen Idee ist wenig geblieben

Gartenschau im Remstal
Von Annette Clauss
Dieser Artikel ist in der Stuttgarter Zeitung am  1. August 2016 erschienen.

Die Remstal-Gartenschau 2019 sollte eine ökologische werden. Tatsächlich aber belasten nach Ansicht des Naturschützers Manfred Steinmetz viele der Projekte die letzten Refugien von Mensch und Tier.

Manfred Steinmetz an der Erleninsel in Waiblingen, wo die Remsterrassen für die Remstal-Gartenschau entstehen sollen. Foto: Gottfried Stoppel
Manfred Steinmetz an der Erleninsel in Waiblingen, wo die Remsterrassen für die Remstal-Gartenschau entstehen sollen.
Foto: Gottfried Stoppel

Rems-Murr-Kreis – Die Rems ökologisch aufzuwerten war einst ein Grundgedanke der Remstal-Gartenschau. Davon ist inzwischen kaum noch die Rede. Der Naturschützer Manfred Steinmetz beklagt, viele Kommunen ignorierten die Vorgaben des Naturschutzes.

Herr Steinmetz – sind Sie ein Gegner von Gartenschauen?
Nein, ich habe kein Problem mit einer Gartenschau, auch nicht mit einer auf interkommunaler Ebene, die natürlich anders ablaufen muss, als eine in einer einzelnen Kommune mit einem Zaun drumherum.
Was stört Sie an der Remstal-Gartenschau?
Das Konzept. Die bisherigen Gartenschauen lagen im Siedlungsbereich. Das Ziel war immer Nachhaltigkeit, damit auch nach Ende der Gartenschau etwas Positives für die Bürger übrig bleibt. Defizite im innerstädtischen Bereich sollten beseitigt werden, beispielsweise indem man Grünanlagen anlegte oder sanierte und so zumindest eine kleine grüne Lunge zurück bleibt, wenn alles vorbei ist. Jetzt, bei der Gartenschau mit 16 Kommunen, geht man raus „in die Natur“ und belastet die letzten Refugien von Mensch und Tier mit Events, „Leuchtturmprojekten von landesweiter Ausstrahlungskraft“ und „Paukenschlägen“. Da darf man schon die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, städtische Belastungen und Zumutungen in die Erholungsräume zu übertragen anstatt deren Qualitäten aufzunehmen und sensibel zu entwickeln.
Die Rems sollte besser erlebbar werden…
Eine gute Idee, doch was bedeutet das konkret? Man hat die Rems als verbindendes Element der 16 Kommunen gewählt, also muss an der Rems nun auch etwas laufen. So ist es immer noch politischer Wille, auf der Rems Kanuverkehr zu etablieren. Dazu braucht es Ein- und Ausstiegsstellen samt Zufahrtswegen, Bootsumtragestrecken an Wehren, Rastplätze, und vor allem auch einen gewissen Wasserstand – und der ist an vielen Stellen nicht vorhanden. Andererseits schränken Uferbiotope, Naturschutzgebiete sowie Artenschutzvorgaben die Befahrung ein. Bevor man also solche Aktivitäten propagiert und dafür Fördermittel bereitstellt, sollte man sich ihrer Realisierung sicher sein. Wir vom Landesnaturschutzverband (LNV) haben Vertreter des Deutschen Kanuverbandes eingeladen und um eine Einschätzung gebeten. Das Urteil lautete: Kaum geeignet wegen langer, nicht befahrbarer Strecken und wegen des Kanalcharakters nicht attraktiv.
Eigentlich war es doch ein Ziel, die Rems ökologisch aufzuwerten. Es war von der Durchgängigkeit der Rems die Rede . . .
. . .die man lieber als Durchgängigkeit für den Bootsverkehr interpretiert. Denn vom ursprünglichen Ziel ist fast nichts übrig geblieben, obwohl die ökologische Durchgängigkeit ein sinnvolles Projekt wäre für die Lebewesen im Fluss. Zwar soll bei Winterbach eine Renaturierung stattfinden, doch sie ist nicht dem Gedanken der Gewässerökologie geschuldet, sondern mangels Retentionsraum den Bauwünschen der Gemeinde. Wenn man die Rems aufwerten will, muss man den Kanal beseitigen, Platz schaffen, indem man die Deiche rückverlegt und beispielsweise Laichplätze für Fische schaffen. Aber das geht nicht im Zuge einer Gartenschau, das braucht eine längere Planung. Man muss dazu ja Grundstücke ankaufen und nicht zuletzt den Hochwasserschutz berücksichtigen.
Wie gehen die Kommunen mit dem Thema Naturschutz um?
Dazu fällt mir Folgendes ein: Mir ist 2013 bei einem Besuch auf der Tourismus-Messe CMT aufgefallen, dass im Rahmen der Veranstaltung RemsTotal, welche die interkommunale Gartenschau ja vorbereiten soll, auch eine „Pedelec-Tour mit Busbegleitung durch ein romantisches Naturschutzgebiet“ angeboten wurde. Dies konnte nur das Gebiet „Unteres Remstal“ zwischen Waiblingen und Remseck sein. Ich habe die Veranstalter angerufen und darauf hingewiesen, dass man in einem Naturschutzgebiet nicht einfach Massenveranstaltungen abhalten kann. Dort ist man aus allen Wolken gefallen: Offenbar hatte keine der 16 Kommunen es für nötig empfunden, die Projektleiterin auf mögliche Restriktionen aufmerksam zu machen.
Sie kritisieren, dass auch die Naturschutzverbände nur ungenügend und zu spät über die Gartenschau-Pläne informiert werden.
Es ist häufig so, dass amtlicher und privater Natur- und Landschaftsschutz vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Dem Landratsamt etwa müssten schon jetzt Realisierungsanträge vorliegen, denn botanische oder artenschutzrelevante Untersuchungen benötigen oft eine ganze Vegetationsperiode, und dann könnte es knapp werden für die Umsetzungsmaßnahmen, die ja spätestens Ende 2018 fertig sein sollten.
Was ist da von Anfang an schiefgelaufen?
Der Verband Region Stuttgart hat Fluss-Masterpläne aufgestellt – aus solch einem wurde die Idee der Remstal-Gartenschau entwickelt. Dann wurden im Windhundverfahren Finanzmittel ohne irgendwelche Auflagen zur Verfügung gestellt. Die Gemeinden haben sofort Projekte entwickelt und natürlich zugegriffen, ohne sich um naturschutzrechtliche Vorgaben zu kümmern. Inzwischen gibt es eine Remstal-Gartenschau-Gesellschaft. Sie informiert uns vom LNV zwar ab und zu, nachdem wir darauf gedrängt haben, aber sie weist jegliche inhaltliche Verantwortung für Projekte von sich und sagt, die Kommunen seien zuständig. Die verweisen auf den Gemeinderat und dessen Beschlüsse. Wenn man nachhakt, etwa beim Thema Wassersport, heißt es: Das machen die Vereine. Unter dem Strich läuft es so, dass jeder sagt, der andere sei zuständig. Am Ende bleibt es an den Kleinen hängen, die baden es jetzt aus.
Mit Kritik an der Remstal-Gartenschau macht man sich nicht gerade beliebt. ..
Aber die Kommunen wissen doch, wo ihre schützenswerten Flächen sind! Doch da wird lustig drauflos geplant, jede Gemeinde plant andere naturbelastende Highlights, und wenn aus den Projekten nichts wird, dann ist der Naturschutz der Böse.
Von manchem hat man sich ja verabschiedet.
Ja, das Naturschutzgebiet Unteres Remstal, ein Fauna-Flora-Habitat-Gebiet und Europäisches Vogelschutzgebiet, ist für den Wassersport nun hoffentlich tabu: Auf dem Wasser Kanufahrer, links und rechts davon Radfahrer und Fußgänger – wo bliebe da die Ausweichmöglichkeit für Eisvogel, Gänsesänger und andere seltene Vögel?
Nennen Sie doch bitte ein Projekt, das in Ihren Augen keinen Sinn macht?
Nehmen wir die stillgelegte Kläranlage im Weidachtal bei Fellbach-Oeffingen, die in einem Landschaftsschutzgebiet und beliebten Naherholungsgebiet liegt – übrigens weit entfernt vom Remstal. Die Anlage in diesem Waldtälchen hätte man abreißen und renaturieren können, das wäre ein nachhaltiges Erholungsprojekt in Siedlungsnähe gewesen. Schließlich sind die Kommunen einst angetreten, eine ökologische Gartenschau zu machen. Stattdessen werden die völlig maroden Bauten knallrot angestrichen und es soll Klang- und figürliche Kunstinstallationen „an diesem verwunschen Ort“ (Projektzitat) geben. Eine Ausstellung soll überdies zeigen, wie schön das Tälchen ohne die früheren Eingriffe war. In meinen Augen ist das Geldverschwendung; für einen Bruchteil der Mittel hätte man das Ganze naturnah und erholungsfreundlich aufwerten können.
Was halten Sie vom Waiblinger Projekt einer „Kunstlichtung“, bei dem rund 250 Bäume auf eine Wiesenfläche gepflanzt werden?
Diese Wiese hat eine eigene landschaftliche Qualität, man erlebt förmlich beim Heraustreten die befreiende Weite der Talaue. Wer die Wiese zupflanzen will, hat den Genius Loci nicht erfasst. Das ist ein Phänomen, das ich bei der Gartenschauplanung fast überall vermisse: Die sensible Entwicklung aus dem Bestand heraus und eine offensive Beteiligung der Bürger an ihrer künftigen Natur- und Kulturlandschaft.
Was würden Sie stattdessen vorschlagen?
Die Wiese würde so zertrampelt und zerstört. Aus naturschutzfachlicher Sicht entspricht sie vielleicht noch nicht ganz einer jener wertvollen, immer seltener werdenden blumenbunten mageren Flachland-Mähwiesen, aber durch ein geschicktes Mahdregime könnte man sie dahingehend entwickeln und sicher weiter aufwerten. Je blütenreicher die Wiese, desto mehr Insekten finden sich ein, die wiederum zu mehr Vögeln führen. Solch eine Wirkungskette kann man doch darstellen auf Tafeln und so die Gartenschaubesucher darauf hinweisen, was dort alles wächst und blüht, kreucht und fleucht.
Gibt es Projekte, die Sie gut finden?
Natürlich. Remseck hat nach einem anfangs rücksichtslosen Auftreten unter neuer weiblicher Leitung in Bürgerveranstaltungen einfühlsame Projekte erarbeitet. Auch Urbach hat sich vom Skywalk im Naturschutzgebiet „Bergsturz am Kirchsteig“ verabschiedet und gemeinsam haben wir eine Stelle für eine die Landschaft weniger belastende Aussichtsplattform, und zwar im Naturschutzgebiet, gefunden. Auch das geplante Haus der Umwelt im ehemaligen Bundeswehr-Depot bei Eselshalden ist ein sinnvolles Projekt, allerdings liegt es weit ab, man muss mit dem Auto hin und das ist nicht ideal. Viele Projekte sind gut gemeint, aber nicht wirklich alltagstauglich.
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