Achtung, diese Stimme kann süchtig machen

Ein Interview mit Melanie Diener über magische Momente und das Hören mit dem Herzen

Von Gisela Benkert, nachzulesen in der Waiblinger Wundertüte 2.0

Oper? Na ja, nicht so gerne. Das sind doch diese Kreischtanten mit den gepuderten Perücken und gerüschten Reifröcken. Aber die Karten sind geschenkt, jetzt gehst Du halt hin. Und lauschst im Bürgerzentrum diesem Lied, „An den Mond“ aus „Rusalka“ von Dvorak. Mit Gänsehaut fängt es an, dann beginnt der Zauber. Subkutan. Plötzlich ist alles warm und weich und fließend. Gestandene Männer haben feuchte Augen. Hilfe, was passiert da? – Eine Stimme hat sie alle gepackt. Jetzt hören sie mit dem Herzen. So soll es sein. Und es ist oft so, wenn Melanie Diener singt. Eine Waiblingerin auf den Bühnen der Welt. Und daheim ein Wundertüten-Gespräch über Bayreuth, erkältete Sänger, magische Momente und Schlaflieder für Jonas.

Was ist Musik für Dich?
Musik ist für mich Leben, ich könnte nicht ohne sie sein! Alles besteht doch aus Schwingungen, Holz klingt, Steine klingen, Wasser, wenn es tropft, Vögel singen, Tiere haben ihre eigenen Laute –Musik ist einfach Leben! Sie kann das Leben nur positiv beeinflussen.

Wie schafft eine junge Sängerin mit Kleinkind aus dem Stand eine solche Weltkarriere? Grad noch Begleitprogramm bei einer Vernissage in der Waiblinger Kleinen Galerie, wenig später die Elsa im Bayreuther Lohengrin?
Es hat sich so ergeben. Irgendwann hab ich vorgesungen bei Antonio Pappano in Brüssel, für einen Mozart-Abend. Pappano sollte im Jahr drauf in Bayreuth den Lohengrin dirigieren, er dachte sich offenbar, da könnte ich auch als Elsa passen. Ich, Wagner? Wenig später hab ich dann tatsächlich bei Wolfgang Wagner vorgesungen. Er wollte mich unbedingt haben, nur Willy Decker, der Regisseur, stellte sich eine andere Elsa vor. Pappano und Wagner setzten sich durch, Decker wurde durch den Regisseur Keith Warner ersetzt.

Im Juli 1999 debütiert also eine bis dato ziemlich unbekannte Sopranistin ausgerechnet in Bayreuth und bekommt auch noch fantastische Kritiken, feiert einen grandiosen Erfolg – das muss doch traumhaft gewesen sein …
… ich hab das ehrlich gesagt gar nicht so realisiert. Es war erst im Rückblick der Knaller. In der Situation hab ich einfach gearbeitet. Und dann wusste ich erstmal gar nicht, ob ich die Premiere überhaupt singen kann. Bei der Generalprobe war mir eine Kulissenwand auf die Schulter geknallt, ich ging zu Boden, hatte einen total verspannten Rücken, zum Singen nicht ganz ideal. Hat aber dann doch alles geklappt.

Überhaupt diese Atmosphäre in Bayreuth …
… ist schon umweht vom Geist der Geschichte. Wolfgang Wagner hab ich sehr strukturiert erlebt, sehr professionell. Er war morgens der erste und abends der letzte im Haus, nur die Stunde Mittagsschlaf war unantastbar.

Du hast drei Jahre hintereinander in Bayreuth gesungen, warst aber nie fest an einem Haus. Dafür sind von Anfang an die allerersten Adressen in Deinen Terminkalender gepurzelt …
… und auch das hat sich ergeben aus einem Vorsingen, damals in London beim Chef von Covent Garden. Mit drin saß – was ich gar nicht wusste – der Festivalleiter von Garsington. Und als ich wieder zurück war in Wablingen, kam mir schon mein Mann Frieder entgegen: „Du, das Faxgerät spuckt und spuckt …“ London, Garsington, Paris, Mozart, Mozart, Mozart ..
Alles noch vor Bayreuth.

Du singst jetzt seit 20 Jahren an den größten Opernhäusern der Welt, gibst aber auch eher intime Liederabende auf kleineren Bühnen – wie hat sich das Publikum im Laufe der Zeit verändert?
Die Masse will den Event, Brot und Spiele wie im Römischen Reich. Man geht dorthin, wo Leute auftreten, die „bekannt sind aus Funk und Fernsehen“. Open Air auf dem Münchner Odeonsplatz zum Beispiel. Das hat mit dem klassischen Betrieb wenig zu tun, da wird auch kein neues Publikum angefüttert. Das klassische Opernpublikum ist nach meiner Wahrnehmung gleich geblieben. Simon Rattle hat zwar in Berlin Rhythmus- und Tanzprojekte für junge Leute angeboten, in die Oper kommen trotzdem nach meinem Empfinden noch zu wenig.

Aber jüngst bei Tristan und Isolde war die Straßburger Oper doch voll von jungen Leuten.
Straßburg hat eine Musikhochschule, die Infrastruktur vor Ort macht den Unterschied. Es gibt verbilligte Karten, Stehplätze, das gilt auch für Wien oder Stuttgart. Nach dem Tristan in Mulhouse kamen vor ein paar Wochen Eltern mit ihrer siebenjährigen Tochter zu mir hinter die Bühne. Das kleine Mädchen hat sich überschwänglich bedankt – und die Eltern hatten zuvor Angst gehabt, dass sie die fünf Stunden Oper überhaupt durchsteht …

… es hat sie offenbar gepackt, es ging ihr unter die Haut, wie gelingt das?
Es gelingt, wenn man eine emotionale Glaubwürdigkeit der Figuren schafft. Dann packt es die Zuhörer schon.

Braucht es technische Perfektion, damit Gesang wirkt, die Zuhörer berührt? Sind Automatisierung und Routine die Voraussetzungen für den künstlerischen Höhenflug?
Ja, und das geht nur über üben, üben, üben. Jeder, der eine Passion hat, muss üben. Wie Dirk Nowitzki beim Basketball. Es braucht die extrem gute Vorbereitung, wenn man’s schleifen lässt, rächt sich das sofort.

Kennst Du als Sängerin diesen flow – nicht mehr an den Text denken, die Partitur, sich einfach hingeben und abheben?
Kommt nicht so oft vor. Bei Fidelio konzertant mit Kurt Masur in Paris isch’s oifach gloffa. Das Publikum war total gepackt, das spürt man auf der Bühne. Beim Bolshoi-Rosenkavalier in Moskau dieses Jahr gab es auch diese hingerissenen Momente, ganz unmittelbar, toll.

Geht man dafür auf die Bühne, vor tausenden von Menschen, für diesen Moment?
Irgendwie schon. Es ist das Bedürfnis, etwas auszudrücken, es zu teilen, wenn dann diese Resonanz kommt, ist es perfekt. Perfekt für diesen Moment. Das strebt man an, das tut einfach verdammt gut. Eben dieses teilen zu wollen, schwülstig gesagt: sich zu verströmen. Das sind dann die magischen Momente, fürs Publikum und die Sängerin.

Können Dirigenten oder Regisseure da mithelfen?
Klar, sie können unterstützen, mit Kostümen, mit Licht, mit Klangfarben. Den größten Erfolg hatte ich immer, wenn ich mir treu geblieben bin, wenn ich echt war, nur so erreicht man diese Magie. Ein Gefühl darf nicht „erzeugt“ werden, es muss aus mir entspringen.
Und dann kommen die Kritiker und stellen fest, dass Du dreimal einen halben Ton zu tief warst und zweimal einen zu hoch…
Wenn ein Abend darauf reduziert wird, tut’s weh. Viele Kollegen lesen keine Kritiken mehr, sie wissen selbst am besten, was sie falsch gemacht haben.

Aber Du liest sie …
Ja, und ich ärgere mich auch. Vor allem, wenn drei Leute total unterschiedlich urteilen und man den Eindruck hat, sie wären in drei verschiedenen Aufführungen gewesen. Aber Kritiker sind auch nur Menschen …

Publikum rast – Melanie Diener ist unzufrieden und wundert sich …
Dann war es technisch nicht perfekt, aber total emotional!

Oper – da denkt mancher immer noch an Kreischtanten in Reifröcken. Dabei kommt Oper heute oft ziemlich zeitgeistig daher …
… und das ist auch ein bisschen desillusionierend, wie Opern Moden unterliegen. Das Publikum will heute oft mehr fürs Auge, als fürs Ohr. Passionierte Zuhörer machen auch mal die Augen zu und hören nur … Es ist ja auch nicht immer leicht, für einen 1,82-Meter-Sopran wie mich einen adäquaten Tenor zu finden. Schlussendlich muss eine gelungene Oper gleichrangig etwas für Auge und Ohr bieten.

Kann man guten Regisseuren weniger gute Ideen ausreden?
Mal stand mir die verordnete gelbe Bluse so gar nicht. Man muss auch selber wissen, was für einen funktioniert. Die Bluse war nachher rot und die Idee kam natürlich vom Regisseur selbst …

Singen ist Hochleistungssport, wie „trainierst“ Du?
Genügend Schlaf, viel frische Luft, Sänger schwimmen viel, weil das gut ist für Ausdauer und Atmung, ohne dass einen das Eigengewicht beschwert. Und dann nicht zu spät und nicht zu viel essen …

Singen ist Arbeit mit dem ganzen Körper. Neurologen verordnen das Singen schwer depressiven Patienten und die sagen hinter-her: „Ich spüre mich wieder.“ Singen, sagen Fachleute auch, ist ein extrem guter Spannungsregulator.
Demnach müsste unsere hochangespannte Gesellschaft heute kollektiv dem Chorgesang anheimfallen … Sind Sänger wirklich die entspannteren Menschen?
Kann man so nicht sagen. Sänger spüren sicher ihren Körper mehr – der Psychodruck bleibt aber wie in jedem anderen Beruf, auch der selbstgemachte. Grundsätzlich aber wäre diese Welt ganz sicher ein besserer Ort, wenn die Menschen mehr singen würden.

Wenn in einer Weinhandlung italienische Musik läuft, kaufen die Leute mehr italienischen Wein. Auch das haben die Fachleute recherchiert und belegen damit, dass Musik ein Verführer ist. Kann man sich gegen solche Verführungen eigentlich wehren?
Nein! Das geht erstmal voll auf die emotionale Ebene und somit direkt ins Unterbewusstsein. Man kann aber lernen, bewusster zu hören. Was im übrigen auch manch menschlichem Gespräch gut täte …

Wie erkennt man, ob man diese große Partie heute abend definitiv nicht singen kann?
Wenn die Erkältung oben sitzt, geht’s noch, wenn sie runter rutscht, geht nichts mehr. Mir ist die Erkältung mal mitten im zweiten Akt Lohengrin in Bayreuth runtergerutscht. Irgendwie hab ich’s rumgekriegt, in der Pause kam der Arzt, Luftröhrenentzündung, nichts ging mehr. Zum Glück war Ersatz da, eine Kollegin ist eingesprungen.

Sonstige schreckliche Momente auf der Bühne?
Bolshoi-Premiere Rosenkavalier. Erster Akt. Der Dirigent ist nach zehn Minuten einfach rausgegangen. Das Orchester spielte drei Minuten lang führungslos weiter, dann übernahm der Assistent und rettete die Premiere. Der Dirigent lag mittlerweile mit schwerer Grippe im Krankenhaus.

Mehr Anekdoten, please!
Cosi fan tutte mit Claudio Abbado in Ferrara. Mein Unterrock war nicht richtig gebunden und rutschte mitten in einer Aufführung runter. Ich zog ihn dann notgedrungen einfach aus und gab ihn weiter an Despina. Die hat ihn beiseitegeschafft- und Abbado hat bloß noch geguckt … Oder diese Bühnenorchesterprobe an der Met, auch Cosi. Ich saß auf einem Hocker, der gab unter mir nach, ich bin in meinen Reifrock hineingesunken, thronte auf der Bühne wie ein weiblicher Pavarotti – wir haben uns alle weggeschmissen vor Lachen!
Applaus, Applaus, dann abschminken und ab ins Hotelbett. Fällst Du auch ins berühmte schwarze Loch?
Blöd ist das schon, man ist ja noch lange high durch diese ganze Anspannung, irgendwann bist du dann aber doch fertig. Das eigentliche Loch kommt am nächsten Tag, wenn das Adrenalin abgebaut ist. Aber das ist halt so, es gehört zur Routine.

Was hast Du Deinem Sohn Jonas früher vorgesungen – und was hat das bis heute, wo er fast 20 ist, für Auswirkungen?
„Guten Abend, gute Nacht“ zum Beispiel, aus London mal in der Probenpause sogar übers Telefon. Wenn man ihm im Kindergarten was vorgesungen hat, konnte er sofort das ganze Lied nachsingen. Inzwischen hat er andere Interessen.

Gibt es unmusikalische Menschen?
Nein! Es gibt nur Leute, die nie gelernt haben, mit Musik umzugehen. Wenn sie es aber wirklich wollen, auch später noch als Erwachsene, können sie durchaus „musikalisch“ werden. Ein Kind aber lernt noch spielerisch das Klavierspielen, viel leichter als ein Erwachsener, weil bei Kindern noch die Motorik viel besser funktioniert, sie denken einfach weniger drüber nach. Erwachsene sind im Kopf weiter, aber die Motorik hinkt hinterher.

Bist Du eine Diva?
Wenn damit Professionalität gemeint ist, ja. Die zickige Variante, die manchen Sängerinnen angeheftet wird, verstehe ich eher als PR-Gag.

Kann man reich werden als Sängerin?
Reich geworden bin ich nicht, aber ich kann gut von meinen Gagen leben. Anna Netrebko ist sicher reicher – dank Werbeverträgen. Ich habe halt nicht jene Faktoren im Angebot, auf die Werbeleute heute abfahren.

Ab wann ist man als Sängerin eigentlich alt – oder zu alt?
Das hängt nicht vom zahlenmäßigen Alter ab –eher davon, dass man als Sängerin irgendwann nicht mehr interessant ist, nicht mehr in Mode. Und natürlich, wenn irgendwann die Stimme weg ist. Man kann sich aber auch Madonna zum Vorbild nehmen, die sich seit Jahrzehnten immer wieder neu erfindet.

Der Klassikbetrieb wird oft totgesagt, wird immer mehr zur Geldfrage …
Musikkultur wird tatsächlich immer mehr an Geld gemessen, wird oft als Preisfrage gesehen, dabei gehören Kultur, Kunst und Musik seit Beginn der Menschheit zum Leben dazu. Es geht halt immer mehr ums Geld, das schlägt sich zum Beispiel auch in immer kürzeren Probezeiten nieder. Die Gagen werden weniger, Auftrittsmöglichkeiten für internationale Künstler brechen weg, ganz aktuell zum Beispiel im Zuge der Eurokrise in Spanien oder Italien.

Gibt es eigentlich Freundschaften unter Bühnenkollegen?
Don Giovanni an der New Yorker Met. Mitten in der Aufführung musste ich eine Schräge hoch, hab die Röcke gerafft, einer blieb unten, mein Fuß blieb hängen, ich bin vor 4000 Leuten auf die Fresse geknallt. Hinter der Bühne kam Rainer Trost zu mir, mein Tenor-Kollege aus dem Schwabenland: „Bisch okee?“ – „Noi“. Der Fuß wurde immer dicker, das Menuett konnte ich nicht mehr mit ihm tanzen. Nach dem ersten Akt ging’s in New York ins Krankenhaus, Bänderriss. Ich wollte heimfliegen, die Met wollte, dass ich eine Woche später bei der letzten Aufführung dabei bin, die wurde im Radio übertragen. Anna Netrebko hat mich während meines Krankenstandes im Appartement bekocht. Sie ist eine prima Kollegin. Und ich bin dann zum Finale singend mit einem koketten Schirmchen als Krückstock über die Bühne gehumpelt. – Als unlängst zwei Sängerkollegen aus Düsseldorf bei diesem schrecklichen Flugzeugabsturz in den französischen Alpen tödlich verunglückten, hatte ich auch das Gefühl, dass wir alle wieder ein bisschen enger zusammengerückt sind.

 

Melanie Dieners neuestes Projekt für Waiblingen ist die Internationale Opernwerkstatt, ins Leben gerufen zusammen mit Thomas Hampson und der Stadt Waiblingen.

Hier die Einzelheiten: https://www.internationale-opernwerkstatt-waiblingen.de/willkommen

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Marzipan – Eine Geschichte vom Verlieren, Suchen, Gefunden werden und Verlieren

Rosa Budziat, November 2017

Genau drei Jahre ist es jetzt her, drei Tage vor Allerheiligen, dass die kleine graugestreifte Katze Marzipan morgens um halb fünf über die Balkontreppe im Garten verschwunden ist. Sie zu ihrer üblichen Zeit um halb sieben nicht zurückgekommen. Auch später, tagsüber und am Abend kam sie nicht mehr zurück.

Ab der ersten Minute war ich in großer Sorge. Das war noch nie vorgekommen. Marzipan war eine kluge Jägerin, verspielt und sehr auf uns Menschen bezogen, mit denen sie zusammenlebte.

Was war passiert mit Marzipan? Zettel im Dorf, Anzeigen im Ortsblättle in Korb und in den Nachbarorten… überall haben wir nach Marzipan gesucht: in Gärten, Garagen, Kellern, im Industriegebiet, am Bahnhof, an Straßenrändern. Tage- und nächtelang sind wir über die Felder gestreift und haben laut den Namen der Katze gerufen und mit der Futterbox geklappert.

Es gab viele nette Menschen, die bereitwillig ihren Keller geöffnet haben und mitgesucht haben oder Tipps gegeben habe. Marzipan blieb unauffindbar. Obwohl gechippt und tätowiert, kein Tierarzt in der Umgebung und auch das TASSO-Haustierregister konnten weiterhelfen.

Die Sorge und Trauer um Marzipan war groß. Die Wochen gehen ins Land, es wird Winter und die Hoffnung schwindet. Es ist zu kalt draußen und es ist auch zu viel Zeit verstrichen, um in einem Keller eingesperrt nicht verhungert zu sein.

Die Wohnung bleibt leer und Marzipan fehlt  – überall. 7 gemeinsame Jahre, mit Mäusen in der Nacht, vielen Schmusereien, Spielen im Garten und einem unglaublich schönen Sommer mit der Geburt von 5 kleinen Katzenjungen und einer liebevollen Katzenmama, die die Kinder in der Nachbarschaft mit ihren Tollereien beglückt haben. Sie war einfach ein Familienmitglied.

Auch zwei Jahre später gibt es immer wieder Situationen, wenn ich mit dem Fahrrad über die Felder fahre, dass ich laut nach der Katze rufe. Ein E-Mail vom Haustierregister will wissen, ob das gesuchte Tier verstorben ist, und man es abmelden möchte. Nein, das möchte man nicht. Es gibt Geschichten über Tiere, die nach vielen Jahren zurückkommen.

Mitte August diesen Jahres. Ein Anruf von einem Tierarzt in Stuttgart Degerloch. „Ihre Katze Marzipan ist in Weinstadt aufgegriffen worden. Bitte kommen Sie schnell, das Tier ist schwer verletzt“. Das kann nicht wahr sein, Freude und Angst sind ganz nah beieinander, wir haben ein altes Schmusetuch mitgenommen, damit sie sich zuhause fühlen kann …. Die Fahrt zum Tierarzt durch den Berufsverkehr nach Degerloch dauert unendlich lang.

Dann dürfen wir ins Behandlungszimmer und da liegt sie, ganz klein. Sie schläft, weil sie Beruhigungsmittel bekommen hat. Sie hat eine riesige Wunde: einen offenen Tumor, so groß wie ein Granatapfel, und bereits weitere kleine Tumoren sind anscheinend spürbar. Alle weinen, die Frau von der Katzenhilfe, die sie in Weinstadt unterm Straßenschild aufgegriffen hat, nach dem sie beim dritten Mal vorbeifahren immer noch im Regen saß und aussah, als ob sie auf was wartet.

Wir streicheln die Katze und können es nicht fassen. Die Tierärztin meint, dass das Tier zu gepflegt sei, um 3 Jahre auf der Straße gelebt zu haben. Sie vermutet, dass sie damals aufgegriffen oder einfach mitgenommen wurde und trotz Tätowierung im Ohr nicht zurückgegeben wurde. Als sie sichtbar krank wurde, hat man sie ausgesetzt. So was käme leider öfter vor.

Wir sind fassungslos vor Trauer, vor Wut und weil es ein Wunder ist, dass die Katze uns nun doch gefunden hat.  Die Tierärztin rät ab, zu operieren: zu viel Schmerzen und keine Aussicht auf Heilung. Wir sitzen im Sterbezimmer beim Tierarzt mit unserer kleinen schwerverletzten Katze und weinen und halten und streicheln sie und weinen. Sie ist immer noch die hübscheste Katze der Welt. Die offene Wunde stinkt. Marzipan hat immer nach „Blume“ gerochen.

Vielleicht merkt sie, dass wir da sind, erkennt unsere Stimmen, oder sie riecht das alte Schmusetuch aus ihrem Katzenkörbchen. Sie schläft ganz ruhig. Während wir sie halten sind wir ganz still und hören einander beim Atmen zu.

Nach einer Stunde ist die Entscheidung getroffen. Marzipan bekommt eine Spritze, damit sie sterben kann. Wir konnten uns voneinander verabschieden, weil sie sich hat finden lassen. Was für ein Zufall, fast ein kleines Wunder. Ein kleines Wunder mit traurigem Ausgang.

 

Warum ich das jetzt schreibe?

Weil es mich unfassbar traurig macht, wie wir mit Tieren umgehen, wie wenig Respekt wir vor Lebewesen haben, die uns anvertraut sind.

Weil ich wissen möchte, wo meine Katze die letzten drei Jahre war und bei wem? Wer hat sie mir möglicherweise weggenommen?  Oder, wer hat sie, wenn sie sich wirklich verlaufen hatte, nicht zum Tierarzt gebracht, damit sie zu mir  zurück kann und sie dann nicht zum Tierarzt gebracht, als sie krank wurde, weil man sich die Tierarztgebühr sparen kann? Über Hinweise freue ich mich.

Und ich schreibe es, weil ich Danke sagen möchte, an alle die, die Tieren in Not helfen und dafür Zeit und Geld und viel Engagement einsetzen.

In unserem Fall war es die Katzenhilfe Stuttgart e.V.

Wer helfen mag, hilft:
Spendenkonto IBAN: DE03 6005 0101 0002 8195 98 | BIC SOLADEST600

 

Wer Informationen für mich hat, kann mich gerne anschreiben oder anrufen:
info@rosa-budziat.de oder 0163 275 76 98

 

 

 

 

 

Groove Inclusion: so beeindruckend, so berührend

Groove Inclusion beim Weltkongress in Russland:

Hallo verehrte Fans von Groove Inclusion,
hier ganz aktuell ein Kurzbericht mit Bildern von unserem großartigen, sehr berührenden Trip nach Jekaterinenburg, verfasst vom Redaktionsteam Rosa Budziat, Timo John und Heiner Riesle.

 

6. September 2017,
Erster Tag Weltkongress

23 MusikerInnen von Groove Inclusion, Sozialdezernentin Petra Bittinger, Stiftungsvorstand Karl-Otto Völker und Geschäftsführer der Sparkassenstiftung Dr. Timo John, bilden die Delegation des Rems-Murr-Kreises auf dem ersten Weltkongress für Menschen mit Behinderung in der Hauptstadt des Urals, Jekaterinburg, Russland. 

Gestern Nacht um 3 Uhr Ortszeit traf Groove Inclusion ein und der Mittwoch, der 6. September   wurde für die Akklimatisierung in der drittgrößten Stadt Russlands dringend benötigt.

Auf dem Tagesprogramm stand Stadterkundung mit Besuch des neuen Boris Jelzin Museums. Der Vertreter des deutschen Generalkonsulats, Ludwig Neudorfer, der im Übrigen auf dem Staufer-Gymnasium in Waiblingen seine ersten Russischkenntisse erwarb, begrüßte die Bandmitglieder mit einer Einladung zum Mittagessen.

Überall in der Stadt kann man mittlerweile auf weitere teilnehmende Gruppen am Kongress treffen. Sie kommen aus Ostfildern, Ansbach, Basel, Flandern, Norwegen, Australien und der ganzen Welt. Am Donnerstagabend wird mit Fahnen aller beteiligten Länder und Musik von Groove Inclusion der Kongress eröffnet.

Zweiter Tag Weltkongress

Putin begrüßt seine Gäste aus dem Rems-Murr Kreis Eröffnung des ersten Weltkongresses für Menschen mit Behinderungen in Jekaterinburg, Russland, der Hauptstadt des Urals

Wladimir Putin ließ es sich nicht nehmen, ein persönliches Grußwort vom Ministerpräsidenten der Region Sverdlovsk verlesen zu lassen. Putin unterstrich darin die Bedeutung des Kongresses für die Behinderten Menschen in Russland. Dabei sprach er auch von einem Programm 2020, mit dem die Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen im Land deutlich verbessert werden sollen. Zur Eröffnung des Kongresses kamen Menschen aus der ganzen Welt. Die Feierlichkeit beeindruckte und berührte durch
künstlerische Darbietungen aller Art. Der Bogen wurde gespannt von Akrobatik, Musik und Zauberei. Groove Inclusion, die Band der VHS Unteres Remstal, repräsentierte Deutschland vor der Welt.

Ab Freitag wird zwei Tage gearbeitet, mit zahlreichen Workshops und Auftritten.

Dritter Tag

Wir sind ungewöhnlich aber gleich! Ein Kongressteilnehmer aus Kirgisistan sagte auf dem Podium den bemerkenswerten Satz: Auch wenn ich keine Arme und Beine habe, bin ich glücklich. Ich bin glücklich, weil ich gehört und geliebt werde.

Die Initiatorin des Kongresses Vera Simakova brennt dafür, Möglichkeiten zu schaffen, damit sich Menschen mit Behinderungen über Kunst, Musik, Tanz und anderen kreativen Ausdrucksformen über Sprach- und kulturelle Grenzen hinweg setzen. Jede teilnehmende Nation, von der Schweiz bis Neuseeland und von Waiblingen bis Taipeh präsentierte dafür ein Beispiel.

Über den Tag fanden zahlreiche Workshops statt, in denen getanzt, gegroovt und diskutiert. Eine kleine Delegation aus Waiblingen wurde vom deutschen Generalkonsul, Herrn Keil, zu einem kleinen Empfang eingeladen. Dabei betonte der Generalkonsul, dass er „Deutschland durch Groove Inclusion wunderbar vertreten fand“. Er sieht dabei ein Beispiel, wie unterschiedliche Gruppen in der deutschen Zivilgesellschaft gut miteinander klar kommen.

Am Abend wurden alle KongressteilnehmerInnen in die Philharmonie von Jekaterinburg zu einem großartigen Konzert eingeladen. Es gab begeisterten Applaus und der Tag fand einen gelungenen Abschluss.

Vierter Tag 

Der große Auftritt: Groove Inclusion trat heute vor großem Publikum auf.

Am 3. Tag des Weltkongresses für Menschen mit Behinderung in Jekaterinburg war der Haupttag der künstlerischen Darbietungen. Wegen Regens musste die Veranstaltung vom Stadtpark in die Halle verlegt werden. Die russischen Gastgeber überzeugten mit ihrem Improvisationsgeschick. Immer wieder begegneten sich Menschen aus aller Herren Länder zum gemeinsamen Austausch. Adressen wurden getauscht und Groove inclusion hat bereits zwei Einladungen zu Konzerten, eine nach Norwegen und eine nach Israel. Dass Musik verbindet, das Konzert von Groove Inclusion wurde viel beklatscht und die Bandmitglieder wurden gleich von mehreren Zeitungen und Radiosendern interviewt.

 

Fünfter Tag

Es war eine rauschende Ballnacht: Feierlich ging der erste Weltkongress der behinderten Menschen in Jekaterinburg zu Ende.

Beeindruckend war das Abschlussforum, das einen vielschichtigen Überblick über Inklusionsprojekte in der ganzen Welt gab. Die Kongressresolution weist darauf hin, wie wichtig weltweit die Einbeziehung von Menschen mit Einschränkungen in gesellschaftliche Prozesse ist.

Immer wieder wurden Mitglieder von Groove Inclusion von begeisterten Kongressteilnehmern auf die wunderbare Musik und die Energie angesprochen, die bei den Auftritten der Band zu merken war. Verwundert war man stets, dass bei Groove Inclusion kein spezielles Konzept zugrunde liegt, sondern sich die 27 Bandmitglieder, von denen 15 behindert sind, lediglich zum Musikmachen treffen und Freude daran haben miteinander zu spielen und aufzutreten. Das ist gerade das Besondere an der Band
Es hat bereits mehrere Anfragen für weitere Auftritte gegeben. In den letzten fünf Tagen mussten immer wieder Autogramme gegeben werden und zahlreiche Selfies wurden gemacht. Die Stimmung auf dem Kongress war die ganze Zeit über fröhlich und harmonisch. Der letzte Höhepunkt war der Abschlussball, bei dem ein klassisches Orchester zu Polka, Polonaise und Walzer aufspielte, wozu ausgelassen getanzt wurde.

Bei der bandeigenen Schlussauswertung nachts im Hotel waren sich die Bandmitglieder und ihre drei BegleiterInnen aus dem Landratsamt und der Kreissparkassenstiftung darüber einig: Der Kongress war ein besonderes Ereignis und der Spirit von Groove Inclusion aus dem Rems-Murr-Kreis wurde in die Welt hinausgetragen und inclusive Grüße aus Jekaterinburg – Russland gehen zurück nach Waiblingen – Germany.

Selten erlebt man so viele glückliche und fröhliche Menschen beieinander.

http://kongress2017.ru/neues

Groß und Klein

Kleinere Bauarbeiten am Bädertörle Richtung Stadt.

Allerorten sind in der Waiblinger Innenstadt Bauarbeiten zu finden.

Kleine Kunstwerke bereichern die Stadt (mehr dazu hier)

und große Bagger gestalten künstliche Remsinseln.
Sie sind die ersten sichtbaren Boten der Gartenschau 2019.

Es gibt wahrlich viel zu entdecken!

Die erste Insel ist schon fertig, an der zweiten wird noch gebaggert.

Essen retten

Warum im Foyer des Andreä-Hauses neuerdings ein öffentlicher Kühlschrank Appetit machen soll

von Iris Förster und Gisela Benkert

Was tun mit diesem vollen Wäschekorb? Drin liegen 13 Tetrapacks und zwei Flaschen Frischmilch, alle mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Drumherum noch ein leckerer Kokos-Zitronen-Joghurt und drei angewelkte Salatköpfe. Du willst das Zeug schnell loswerden und gehst hausieren- bei Nachbarn und Bekannten. Es handelt sich hier schließlich um eine echte Rettungsaktion.

Wie bitte? Des Rätsels Lösung: Der öffentliche Kühlschrank im Waiblinger Jakob-Andreä-Haus macht eine Woche Pause und musste schnell ausgeräumt werden, ehe die Lebensmittel ungenießbar sind. Öffentlicher Kühlschrank?? Dahinter verbirgt sich ein Foodsharing-Modell, „Fair-Teiler“ genannt. Waiblingens erster öffentlicher Kühlschrank steht im Vorraum des Jakob Andrea-Hauses in der Alten Rommelshauser Straße und nimmt alles auf, was noch essbar ist. Um es anschließend wieder an all jene abzugeben, die hierherkommen, weil sie lieber Essen retten als es wegzuwerfen.

Lässt Einblick nehmen – der neue FairTeiler im Jakob-Andreä-Haus

Rund 80 kg Lebensmittel landen in Deutschland pro Kopf in der Tonne. Das hat unterschiedliche Ursachen: Viele Lebensmittel finden gar nicht erst den Weg in den Laden, weil sie bereits auf dem Acker aussortiert werden, wenn Sie in Form, Größe und Farbe nicht der Norm entsprechen, andere werden im Großhandel oder im Einzelhandel großzügig entsorgt sobald oder gar bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten wurde, weitere Lebensmittel werden in privaten Kühlschränken schlecht, weil sie schlicht und einfach vergessen wurden.

Gegen diese gigantische Lebensmittelverschwendung formt sich seit geraumer Zeit Widerstand. In vielen Städten in Deutschland gibt es Foodsharing-Gruppen, die zum Beispiel mit Lebensmittelhändlern kooperieren und nach Ladenschluss die Lebensmittel abholen, die ansonsten im Müll landen würden. Freiwillig, unkompliziert und engagiert verteilen sie all das ausgemusterte Essbare im Bekanntenkreis – oder sie legen es eben in solch öffentliche Kühlschränke. In Stuttgart gibt es derer zwei, einer davon steht auf dem Grundstück einer Studenten-WG und wird auch von den Bewohnern betreut. Klappt prima.

Eine weitere Form des Verteilens ermöglicht die Plattform Foodsharing.de, auf der man nach Anmeldung virtuell sogenannte Essenkörbe mit abzugebenden Nahrungsmitteln einstellen kann, die dann von interessierten Verbrauchern abgeholt werden.

In Waiblingen waren Foodsharing-Botschafter Michael Neumann und Iris Förster schon seit längerem auf der Suche nach einem geeigneten Standplatz für den Fairteiler, also den öffentlichen Kühlschrank. Mit der evangelischen Michaelskirchengemeinde und der Alternativen Liste (ALi) Waiblingen haben die beiden zwei ideale Kooperationspartner gefunden – die Kirchengemeinde stellt Platz und Strom im Gemeindehaus zur Verfügung, die ALi spendete einen Getränkekühlschrank. Die riesige Glastür verschafft einen raschen Überblick übers vorhandene Sortiment. Zuletzt war der Kühlschrank gut gefüllt mit verschiedenen Blattsalaten, Pastinaken, Erdnussbutter, Rhabarber, Rettich, Sellerie, Marmelade – und eben mit ganz viel Milch.

Am Kühlschrank sind die Regeln aufgehängt, nach denen bestückt und entnommen werden darf, so dass das Konzept auch bei einer Lebensmittelkontrolle gut wegkommt. So ist es beispielsweise nicht erlaubt, Waren mit Verbrauchsdatum (wie Hackfleisch oder rohes Geflügel) abzugeben. Das MHD hingegen, das angibt, ab wann der Verkäufer keine Gewährleistung mehr für die Qualität des Produkts übernimmt, darf überschritten sein. Diese Lebensmittel gelten weiterhin als verkehrsfähig. Michael Neumann und Iris Förster kontrollieren darüber hinaus täglich die Kühlschranktemperatur und den Inhalt und entsorgen, falls etwas nicht mehr genießbar sein sollte.

Die Regeln

Da das Haus in den Pfingstferien nur eingeschränkt zugänglich ist, wurde der Kühlschrank am letzten Freitag leergeräumt, gereinigt und ausgeschaltet und wird zum 12. Juni wieder in Betrieb genommen.
Die Milch aus dem Wäschekorb schmeckte übrigens auch fünf Tage nach Überschreiten des Haltbarkeitsdatums noch hervorragend! Und über den Salat haben sich letztlich noch die Hühner gefreut.

Erster Feinstaubsensor in Waiblingen am Start

Jetzt ist es so weit, der erste Sensor, der Feinstaubwerte für Waiblingen ermittelt, ist installiert. Im Rahmen des Luftdatenprojekts des Stuttgarter OK Lab wurden gestern insgesamt 14 Sensoren zusammengebaut. Nach und nach werden diese jetzt in der interaktiven Karte auftauchen. Wer sich aktuell informieren will, geht auf waiblingen.maps.luftdaten.info

 

Frank Riedel, der den Workshop für uns durchführte, berichtet auf seinem Blog: https://riedelwerk.wordpress.com/2017/03/23/843-feinstaub-vortrag-und-basteln-in-waiblingen/

Danke Frank! Das war wirklich ein gelungener Abend.

Der Nordostring löst keine Verkehrsprobleme

Am 21.12.2016, hat  der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) über den neuen Regionalverkehrsplan beraten. Darin ist wieder mal auch der Nordostring enthalten. Im letzten Herbst wurde der Nordostring wieder als Planung des weiteren Bedarfs in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Und nun soll sogar gutachterlich festgestellt worden sein, dass der Nordostring die Stuttgarter Innenstadt spürbar von Verkehr und Abgasen entlasten würde.

 

Infostand und Infoabend

Jeder kann sich informieren und mit einer Stellungnahme an den Verband Region Stuttgart aktiv werden:

  • Am Samstag, 1. April bietet sich die Gelegenheit vorbereitete Stellungnahmen zu unterschreiben, Alternative Liste (ALi) und ARGE Nord-Ost e.V. sind von 9.30 – 13 Uhr mit einem Infostand auf dem Wochenmarkt vertreten.
  • Am Mittwoch, 5. April um 20 Uhr veranstaltet die SPD Waiblingen im Schlosskeller unter dem Rathausplatz in Waibingen einen Infoabend zum Thema „Ist der Nord-Ist-Ring wirklich die feine Lösung für zukunftssichere Verkehrsplanung?“. Als Experten spreichen Joseph Michl, Voristzender der ARGE Nord-Ost, Harald Raß, Stadtrat in Fellbach und Vorsitzender der SPD-Fraktion im Regionalparlament und Klaus Riedel, SPD-Kreisrat.

Und das spricht gegen den Nord-Ost-Ring:

Angebliche Entlastung des Talkessels stammt von Filderauffahrt – nicht vom Nordostring

Hierzu schreibt Joseph Michl, Vorsitzender der ARGE Nord-Ost e.V. (ARGE): „Offensichtlich haben sich die
Befürworter die Unterlagen des VRS nicht genau angeschaut. Die angenommene positive Wirkung zur Lösung des Stuttgarter Feinstaubproblems im Talkessel und besonders an den Luftschadstoff-Brennpunkten Hohenheimer Straße und Neckartor hat nichts mit dem Nordostring zu tun. Sie beruht ausschließlich auf der von den Gutachtern behaupteten Wirkung einer B14 Filderauffahrt, die einen 7 km langen Tunnel beinhaltet, und die in Kombination mit dem Nordostring unterstellt wird.“

Diese Filderauffahrt wäre sehr teuer, sie soll nach Schätzung des VRS 400 Millionen Euro kosten. Da sie auch nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist, ist der Bau der Filderauffahrt illusionär, zumindest für die nächsten 15 Jahre.

Zudem gehen die Gutachter bei ihrer Prognose davon aus, dass die Abgase, die durch den enormen Verkehr in dem Tunnel der Filderauffahrt entstünden (ca. 65.000 Kfz/24h), aufwendig mit Tunnel-Abgasfiltern (!) gereinigt würden. Wie u.a. der Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd zeigt, ist von Tunnelfiltern in Deutschland jeweils nur im Vorfeld von Tunnelplanungen die Rede. „Tatsächlich gibt es unseres Wissens keinen einzigen Straßentunnel in Deutschland mit Tunnel-Abgasfiltern“ so Michl.

Mit dem Nordostring allein aber wäre selbst nach den zweifelhaften Zahlen der Region so gut wie keine Entlastung der Abgas-geplagten Stuttgarter Innenstadt verbunden. Hierzu Joseph Michl: „Dass die Befürworter des Nordostrings diesen jetzt als großen Befreiungsschlag für die Stuttgarter Luftbelastungsprobleme präsentieren, ist sachlich nicht gerechtfertigt. An der Tatsache, dass der Nordostring kein Beitrag zur Lösung der Stuttgarter Luftprobleme ist, hat sich nichts geändert.“

 

Die Gutachten des VRS sind fehlerhaft

Wenig vertrauensbildend ist nach Ansicht der Verkehrsfachleute der ARGE, dass viele Gutachten für den Regionalverkehrsplan aus demselben Büro stammen, das auch bei der Erstellung der grob fehlerhaften Datengrundlagen für den Bundesverkehrswegeplan beteiligt war. Das Land Baden-Württemberg, beteiligte Kommunen, Umweltverbände und nicht zuletzt auch die ARGE Nord-Ost e.V. hatten im Rahmen der Anhörung auf massive Fehler hingewiesen. Leider vergeblich, korrigiert wurde nichts, sondern der fehlerhafte Bundesverkehrswegeplan im Bundestag als Gesetz beschlossen.

Bei der ARGE hat man sich die Unterlagen zum Regionalverkehrsplan daher genauer angesehen. Doch schon beim ersten Blick auf den Maßnahmensteckbrief zum Nordostring (Regionalverkehrsplan Anhang 4, s. Anlage) fallen wieder Fehler auf: So soll der 3-spurige Nordostring 14,03 km lang sein, der 4-spurige aber nur 9,05 km. Beim Bundesverkehrswegeplan gingen dieselben Gutachter noch von 11,5 km Länge aus.

Und während die Gutachter beim Regionalverkehrsplan von 1,229 Millionen eingesparten Pkw-Stunden je Jahr durch den Nordostring ausgehen, waren es bei den Berechnungen für den Bundesverkehrswegeplan 5,41 Millionen Pkw-Stunden je Jahr.

Was stimmt denn nun? Da kann man wenig Zutrauen aufbringen, dass die restlichen Zahlen im Regionalverkehrsplan stimmen. Die grafische Darstellung beim Maßnahmensteckbrief geht offensichtlich auch davon aus, dass der Nordostring bei der Waiblinger Westumfahrung endet, was zumindest Zweifel nährt, ob die Gutachter eine richtige Vorstellung vom untersuchten Nordostring haben oder ob nicht schon deshalb falsch gerechnet wird.

Bei den Berechnungen der Verkehrszahlen fällt weiterhin auf, dass die stark befahrene Waiblinger Westumfahrung von den Gutachtern schlichtweg vergessen wurde. Diese Straße liegt direkt im Plangebiet des Nordostrings und hat einen erheblichen Einfluss auf das dortige Verkehrsgeschehen.

 

VRS hält Gutachten zurück

Die Verkehrsexperten der ARGE gehen davon aus, dass die Gutachten noch weitere schwerwiegende Fehler enthalten. Überprüfen lässt sich das alles nicht, da der VRS die zugrundeliegenden Gutachten des Regionalplans größtenteils nicht veröffentlicht. Die ARGE und auch der Landesnaturschutzverband hatten sie schon mehrfach vergeblich nachgefragt. Nach Auskunft des VRS sind sie noch nicht fertig bzw. müssen Anfang nächsten Jahres zuerst den Regionalräten vorgelegt werden, bevor sie veröffentlicht werden können. Dadurch bleibt vieles im Vagen und ist nicht überprüfbar.

 

OB Hesky informiert Bürger nicht korrekt – Es wird keinen zweispurigen Nordostring geben

Der Waiblinger OB und Regionalrat Andreas Hesky vertritt öffentlich die Meinung, Waiblingen wolle nur einen 2-spurigen Nordostring. Er müsste aber wissen, dass es keinen zweispurigen Nordostring gibt. Dieser ist und bleibt mindestens 4-spurig und Autobahn ähnlich. So steht es im Bundesverkehrswegeplan, und etwas anderes ließe angesichts der enormen Verkehrszahlen, die für den Nordostring prognostiziert werden, keine Planungsrichtlinie zu. Wenn der Waiblinger OB daher den Bau des Nordostrings fordert, redet er damit stets einer 4- oder 6-spurigen, stark befahrenen Autobahn unmittelbar vor den Toren seiner Stadt das Wort.

 

Der Nordostring löst keine Verkehrsprobleme in der Kernregion, sondern schafft neue

Der Nordostring zieht zum einen weiträumig motorisierten Verkehr in die Kernregion des Ballungsraums Stuttgart, zum anderen erhöht er die Verkehrsnachfrage. Er vergrößert damit das motorisierte Verkehrsaufkommen in der Kernregion. Dieser Zusatzverkehr trifft dort auf ein Straßennetz, das bereits jetzt schon zeitweise bis zum Limit belastet ist. Zwangsläufig wird es dadurch zu einer Zunahme der Staus im Umfeld des Nordostrings kommen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die Kernregion Stuttgart braucht. Diese negativen Auswirkungen sind dabei völlig unabhängig davon, ob ein Nordostring als Tunnel oder oberirdisch gebaut wird.

 

Natur und Umwelt blieben beim Nordostring auf der Strecke

Bei aller notwendigen Diskussion über die verkehrlichen Auswirkungen darf nicht übersehen werden, dass der Nordostring nach wie vor mit ganz erheblichen Eingriffen in wertvolle Freiflächen auf dem Langen Feld, der Büchenau und dem Schmidener Feld verbunden wäre. Der Nordostring würde den Wert dieser Freiflächen für die Erholung, die Landwirtschaft und die Natur spürbar reduzieren. Dies ist völlig unbestritten.

Die durch den Nordostring verursachten Schäden stehen nach Ansicht der ARGE in keinerlei vertretbarem Verhältnis zu den fragwürdigen verkehrlichen Vorteilen.

 

Mehr öffentlicher Verkehr hält die Region mobil

Es gehört zur vorrangigen Aufgaben des VRS, für einen funktionierenden ÖV zu sorgen. Straßenplanungen sind hingegen nicht Aufgabe des Regionalverbandes. „Wer die Region mobil halten will, kommt an wesentlichen Verbesserungen beim öffentlichen Verkehr (ÖV) nicht vorbei“, bekräftigt die ARGE Nord-Ost.

Heute aber vergeht praktisch kein Werktag ohne Zugausfälle und S-Bahn-Chaos. Dar aktuelle Zustand der S-Bahn ist derart beklagenswert, dass viele Pendler wieder auf das Auto umsteigen.

Die ARGE möchte den VRS daher ermuntern, sich zukünftig mit noch mehr Kraft um seine eigentliche Kernaufgabe, eine funktionierende S-Bahn in der Region Stuttgart, zu kümmern. Es ist dringend notwendig, die S-Bahn wieder in einen zuverlässig benutzbaren Zustand zu versetzen. Daneben sollten auch Linienverlängerungen und auch neue Linien (bsp. Schorndorf – Waiblingen – Remseck – Ludwigsburg – Markgröningen) möglichst rasch geplant und umgesetzt werden.

Die Planung von Bundesstraßen kann der VRS nach Meinung der ARGE dagegen ruhigen Gewissens bei Bund und Land belassen.

 

Schafft Natur Kunst?

von Klaus Riedel

Im Rahmen des Projekts „Natur schafft Kunst“ wurde 1995 die „Kapelle für einen sterbenden Baum“ in der Talaue geschaffen. Über zwanzig Jahre hat die Natur also weiterhin Kunst geschaffen und – entsprechend der jeweiligen Jahreszeit – erhalten. Ganz im Sinne des Projektes.

Die Kapelle für einen sterbenden Baum im Juli 2016 Fotos: Jürgen Blocher

Nagte nun wirklich der Zahn der Zeit an der Kapelle? War sie der Kunstlichtung im Weg? Wann und wo wurde von einer „Integration“ der Kapelle in die Kunstlichtung gesprochen bzw. geschrieben? Fragen, auf die es kurze, klare Antworten gibt.

Bis heute hatte es die Natur geschafft, das Objekt zu erhalten. Die Bilder aus dem Sommer 2016 zeigen diese wunderbare Kraft der Natur. Je nach Jahreszeit sah die Kapelle anders aus. Ganz nach dem Motto, „Natur schafft Kunst“. Von Integration in die Kunstlichtung war meines Wissens nie die Rede. Führte erst die Verschiebung der Kunstlichtung zur Kollision? Ohne genaue Kenntnisse entsorgte dann die Gartenbaufirma die „Kapelle“. Sie war nicht einsturzgefährdet. Im Gegenteil. Die Vegetation hätte auch in diesem Jahr und in den folgenden Jahren für ihr Leben gesorgt.

Ingo von Pollern hat Recht, wenn er es so kommentiert: “Das hätte nicht passieren dürfen“. Auch der Ärger von Alfonso Fazio ist nachvollziehbar. Die Kritik an Kunstlichtung und Vorgehensweise wird bleiben.

Doch nun hat sich wunderbar gefügt, dass dem „Künstler des Vergänglichen“ offenbar gleich wieder ein neuer Auftrag zuteil wird. Da können wir doch alle zufrieden und beruhigt sein. Ganz nach dem Motto: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!“.

 

Und so sieht das Gelände im März 2017 aus:

 

Ist das Kunst oder kann das weg?

von Peggy Wagner

Die Bauarbeiten in der Talaue für die Kunstlichtung im Rahmen der Remstalgartenschau haben begonnen. Da mein Balkon direkt über dem Fußweg am Remsufer gegenüber der Baustelle liegt, konnte ich Zeugin der Kommentare einiger Spaziergänger/- innen werden. So sagte eine ältere Dame: „Jo, weils soo saudeier wird, hods hald für schee nemme glangt!“ Ihre Begleiterin sagte dazu: „Genau, ond weil se bei dr Stadt glei gwist hend, dass des a Geldgrab geid, sieht‘s au aus wie a Friedhof.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen lauschte ich den Ausführungen einer jungen Mutter mit ihrer Tochter. Sie erklärte, dass hier im letzten Krieg ganz viele Leute gestorben seien bei einer großen Schlacht, und damit man die nicht vergisst bekommen die jetzt auch einen Friedhof wie beim Opa. Ich fragte mich, ob ich da vielleicht etwas in Geschichte verpasst habe, als zwei ältere Herren vorbeigingen und der eine sagte: „Wenn de do a Grab kaufschd, ko dr Todagräbr dr glei no an Taucherazug nufschwätza, em Fall dass Hochwasser kommt.“ Ich musste mich sehr anstrengen, um nicht laut loszuprusten. Zwei Joggerinnen mit ihren Hunden witzelten, Blinkhalsbändchen um einen der neuen Bäume machen zu müssen, damit die sich die Hunde beim Beinchenheben nicht verlaufen.

Zugegeben, das alte schwäbische Sprichwort mag manchmal stimmen und man soll einen Ochsen kein unfertiges Werk sehen lassen, aber für mich ist die Kunstlichtung definitiv keine Kunst und kann gerne wieder weg!

Kunst mag im Auge des Betrachters liegen, aber im vorliegenden ward der Kunstsinn vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen. Hätten die Planer sich etwas in der Kunst gebildet, der sie hier eine Stätte schaffen wollten, wäre eine simple Wildblumensamenmischung auszubringen ein cleverer Kunstgriff gewesen, mit dem Ergebnis, dass sich den Besuchern der Gartenschau eine Landschaft geboten hätte, wie selbst ein Claude Monet sie nicht schöner hätte malen können. Aber das hätte die Kunst der Erkenntnis erfordert, dass schön nicht teuer sein muss und dass letzten Endes nichts so schön sein kann wie die Natur, wenn der Mensch es unterlässt sie zu verschlimmbessern. Doch leider wurde nicht der Entwurf zur Kunstlichtung zu Grabe getragen, sondern auf dem neuen Talauenfriedhof unsere Steuergelder mitsamt dem Kunstgeist, der Vernunft und der schwäbischen Weisheit. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die Natur mit schöpferischer Kunst ihre Talaue zurückerobert  – em Fall dass a Hochwasser kommt.

 

Baubeginn in der Talaue

Jetzt wird’s ernst.
Die ca. 220 Pflöcke für die Bäume sind bereits gesetzt.
Das Bild entstand am 08.03.2017

Von den für die Kunstlichtung veranschlagten 540.000 Euro übernimmt übrigens die Eva-Mayr-Stihl-Stiftung mindestens 300.000 Euro. Wen wundert es da noch, dass die Lichtung in Form des Grundrisses der Galerie Stihl Waiblingen gepflanzt wird?

Nachtrag:


Oh Schreck! Nichts ist ihnen heilig.
Die Kapelle für einen sterbenden Baum, die Helmut Stromsky 1995 im Zuge der Landeskunstwochen geschaffen hat, wurde heute im Rahmen der Baumaßnahmen für die Kunstlichtung entfernt. Auf Nachfrage beim Bauleiter der Firma Link mit Genehmigung der Stadt.

Die Stadtverwaltung spricht in ihrer Pressemitteilung vom Zahn der Zeit, der an dem Kunstwerk genagt habe. Die Standfestigkeit sei nicht mehr gegeben gewesen.

 

Dazu merkt Gerhard Kiunke aus Wailbingen an:

Sehr geehrter Herr Andreas Hesky

Kein guter Start für die unnötige Kunstlichtung.
Wieso kommt die Wahrheit nur auf Nachfrage und auch nur auf Nachfragen von Bürgern zutage? Und dann wieder nur scheibchenweise.
Es ist schon ein riesiger Unterschied, ob man lediglich sagt: „ die Standfestigkeit war nicht mehr gegeben“ oder „das Kunstwerk wurde bei den Bauarbeiten für die Kunstlichtung beschädigt, verlor dadurch seine Standfestigkeit und wurde beseitigt.

Wieso stellt man die Standfestigkeit nicht wieder her?
Wenn etwas beschädigt wird könnte derjenige auch dafür sorgen, dass es wieder in Ordnung gebracht wird.
Wer ist in diesem Fall verantwortlich?
Auch wenn Sie laut und deutlich betonen, dass dieses Naturkunstwerk nicht wegen der Kunstlichtung beseitigt wurde – ein Geschmäckle bleibt.