abgefahren: junger Blick auf alte Straßen

Von Gisela Benkert

Waiblingen ist klasse – eigentlich. Aber Waiblingen ist in die Jahre gekommen, wird immer älter, bräsiger, zementierter, diese Stadt scharrt nicht mehr mit den Füßen, ist irgendwie im Stau stehengeblieben, entwickelt sich kaum, ist nicht wirklich „zukunftsfähig“, hat zu wenig Ideen, lebt, als gäbe es kein Morgen.

Mensch, probiert doch endlich mal wieder was aus, das nicht den Namen Gartenschau trägt! Schaut endlich hin, wenn sich Autoschlangen durch Wohngebiete quälen, wenn Gehwege zugeparkt sind, Radler und Fußgänger Kopf und Kragen riskieren. Mensch, gebt uns unsere Stadt zurück – zum Genießen, Verweilen, Einkaufen, zum drin Leben!

Das ist ein Imperativ – und angesprochen fühlen dürfen sich alle, die fürs Wohl und Wehe der Stadt zuständig sind – die Leute im Rathaus, der Gemeinderat und natürlich die Bürgerinnen und Bürger selbst.

Manchmal tut ein Weckruf gut – und den haben jetzt Studentinnen und Studenten eines internationalen Masterstudiengangs für nachhaltige Mobilität an der Fachhochule Nürtingen übernommen.
Wie kam’s? Ich als alte Waiblingerin war hocherfreut, als mein Neffe, damals noch mitten im Studium der Ingenieurswissenschaften, Fachbereich Verkehrsplanung,
bei seinen Tanten-Besuchen in der Stauferstadt ein ums andere mal befand: „Ihr habt aber eine merkwürdie Verkehrplanung hier“. Seine Analyse in etwa: Freie Fahrt für Freie Bürger, und das noch ziemlich exzessiv. Irgendwie nicht zukunftsweisend.

Er war zu jener Zeit mehrfach mit seinen Mitstudenten auch in europäischen Städten unterwegs, um studienhalber quasi einen jungen Blick auf alte Stadt-Straßen zu werfen.
Samt Analyse und Vorschlägen zum Bessermachen. Genau diese Idee wurde nun für Waiblingen aufgegriffen: Auf Einladung der Alternativen Liste und der Grünen waren Nürtinger Studenten wochenlang staunend, kopfschüttelnd und ideenreich hier unterwegs. Haben viele Gespräche geführt, Filme gedreht von endlosen Autoschlangen in der Fronackerstraße und Bahnhofstraße, sie haben den Weg von Leihrädern aus der Box ins stauferstädtische Nirwana aufgezeigt – und am Ende drei Projekte durchgeplant, die das Leben in Waiblingen ein bisschen besser machen sollen. Sie haben quasi auch geplant für eine Stadt, in der sie selber gerne Leben wollen.

Im übrigen war die Waiblinger Delegation schon beim ersten Beschnuppern im Nürtinger Hörsaal hin und weg gewesen: soviel junge Begeisterung, solch ein Elan, soviel unbedingter Wille, was richtig Gutes abzuliefern, toll!
Und zwei aus der Truppe waren sogar schon vorab mal durch Waiblingen geschlendert: „Eine sehr schöne Stadt habt ihr, aber…“
Beim nächsten Date an der Hochschule lagen schon faszinierend viele Vorschläge auf dem Tisch, jetzt wollen die Studierenden aus aller Herren Ländern ihre fertigen Arbeiten vor möglichst vielen Leuten in Waiblingen präsentieren.

Neugierig geworden? Dann einfach am kommenden Dienstag, 1. Oktober, 19.30 Uhr in den Schwanen kommen.
Zusammen mit ihrem Professor Sven Kesselring wollen die Studis ihre Ideen vorstellen.
Lauter praktikable Vorschläge für eine Stadt, die besser werden muss.

Was dann wie und ob überhaupt nachher umgesetzt wird – die Waiblingerinnen und Waiblinger haben’s selbst in der Hand.
Vielleicht muss man sich einfach mal ein bisschen anschuggen lassen. Ein bisschen Feuer fangen. Nicht bloß klagen sondern machen.

Mehr Infos gibt’s unter: www.ali-waiblingen.de

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Brot und Brötchen in Hülle und Fülle

Es ist angerichtet!

Tag für Tag wandern körbeweise Backwaren nach Ladenschluss in den Mülleimer. Das kann niemand gut finden.
Bei uns gibt es inzwischen eine gut erprobte Alternative: sogenannte Lebensmittelretter tragen sich auf der Foodsharing-Plattform  für die abendliche Abholtour ein und nehmen aus den kooperierenden Bäckereien mit, was am Abend übrig geblieben ist.
Am nächsten Morgen werden die Backwaren ins Jakob-Andreä-Haus, dem Gemeindehaus der Evangelischen Michaelskirche, gebracht. Dort kann sich jeder bedienen bis alles weg ist.
Auch ein öffentlicher Kühlschrank (Fachjargon „FairTeiler“) steht dort.
Der funktioniert ähnlich simpel: Wer etwas übrig hat, legt ein, wer gebrauchen kann, nimmt mit. Ganz einfach!
(Zugegeben – ein paar Regeln gibt es schon. So dürfen keine verdorbenen Waren eingelegt werden und es gibt keine Haftung für die Qualität. Hier zählt der gesunde Menschenverstand.)
Das Jakob-Andreä-Haus ist montags bis freitags von 8-18 Uhr geöffnet.
Wer informiert werden will, wann es wieder Brot gibt, schickt einfach eine Nachricht an 0174-1307088 und wird in die whatsApp-Gruppe aufgenommen. Dann gibt’s die Nachrichten direkt aufs Handy.

Fazit: Es ist gar nicht so schwer, die Welt ein Stück besser zu machen.

Übrigens: Wir haben früher schon mal über den Kühlschrank berichtet.

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Achtung, diese Stimme kann süchtig machen

Ein Interview mit Melanie Diener über magische Momente und das Hören mit dem Herzen

Von Gisela Benkert, nachzulesen in der Waiblinger Wundertüte 2.0

Oper? Na ja, nicht so gerne. Das sind doch diese Kreischtanten mit den gepuderten Perücken und gerüschten Reifröcken. Aber die Karten sind geschenkt, jetzt gehst Du halt hin. Und lauschst im Bürgerzentrum diesem Lied, „An den Mond“ aus „Rusalka“ von Dvorak. Mit Gänsehaut fängt es an, dann beginnt der Zauber. Subkutan. Plötzlich ist alles warm und weich und fließend. Gestandene Männer haben feuchte Augen. Hilfe, was passiert da? – Eine Stimme hat sie alle gepackt. Jetzt hören sie mit dem Herzen. So soll es sein. Und es ist oft so, wenn Melanie Diener singt. Eine Waiblingerin auf den Bühnen der Welt. Und daheim ein Wundertüten-Gespräch über Bayreuth, erkältete Sänger, magische Momente und Schlaflieder für Jonas.

Was ist Musik für Dich?
Musik ist für mich Leben, ich könnte nicht ohne sie sein! Alles besteht doch aus Schwingungen, Holz klingt, Steine klingen, Wasser, wenn es tropft, Vögel singen, Tiere haben ihre eigenen Laute –Musik ist einfach Leben! Sie kann das Leben nur positiv beeinflussen.

Wie schafft eine junge Sängerin mit Kleinkind aus dem Stand eine solche Weltkarriere? Grad noch Begleitprogramm bei einer Vernissage in der Waiblinger Kleinen Galerie, wenig später die Elsa im Bayreuther Lohengrin?
Es hat sich so ergeben. Irgendwann hab ich vorgesungen bei Antonio Pappano in Brüssel, für einen Mozart-Abend. Pappano sollte im Jahr drauf in Bayreuth den Lohengrin dirigieren, er dachte sich offenbar, da könnte ich auch als Elsa passen. Ich, Wagner? Wenig später hab ich dann tatsächlich bei Wolfgang Wagner vorgesungen. Er wollte mich unbedingt haben, nur Willy Decker, der Regisseur, stellte sich eine andere Elsa vor. Pappano und Wagner setzten sich durch, Decker wurde durch den Regisseur Keith Warner ersetzt.

Im Juli 1999 debütiert also eine bis dato ziemlich unbekannte Sopranistin ausgerechnet in Bayreuth und bekommt auch noch fantastische Kritiken, feiert einen grandiosen Erfolg – das muss doch traumhaft gewesen sein …
… ich hab das ehrlich gesagt gar nicht so realisiert. Es war erst im Rückblick der Knaller. In der Situation hab ich einfach gearbeitet. Und dann wusste ich erstmal gar nicht, ob ich die Premiere überhaupt singen kann. Bei der Generalprobe war mir eine Kulissenwand auf die Schulter geknallt, ich ging zu Boden, hatte einen total verspannten Rücken, zum Singen nicht ganz ideal. Hat aber dann doch alles geklappt.

Überhaupt diese Atmosphäre in Bayreuth …
… ist schon umweht vom Geist der Geschichte. Wolfgang Wagner hab ich sehr strukturiert erlebt, sehr professionell. Er war morgens der erste und abends der letzte im Haus, nur die Stunde Mittagsschlaf war unantastbar.

Du hast drei Jahre hintereinander in Bayreuth gesungen, warst aber nie fest an einem Haus. Dafür sind von Anfang an die allerersten Adressen in Deinen Terminkalender gepurzelt …
… und auch das hat sich ergeben aus einem Vorsingen, damals in London beim Chef von Covent Garden. Mit drin saß – was ich gar nicht wusste – der Festivalleiter von Garsington. Und als ich wieder zurück war in Wablingen, kam mir schon mein Mann Frieder entgegen: „Du, das Faxgerät spuckt und spuckt …“ London, Garsington, Paris, Mozart, Mozart, Mozart ..
Alles noch vor Bayreuth.

Du singst jetzt seit 20 Jahren an den größten Opernhäusern der Welt, gibst aber auch eher intime Liederabende auf kleineren Bühnen – wie hat sich das Publikum im Laufe der Zeit verändert?
Die Masse will den Event, Brot und Spiele wie im Römischen Reich. Man geht dorthin, wo Leute auftreten, die „bekannt sind aus Funk und Fernsehen“. Open Air auf dem Münchner Odeonsplatz zum Beispiel. Das hat mit dem klassischen Betrieb wenig zu tun, da wird auch kein neues Publikum angefüttert. Das klassische Opernpublikum ist nach meiner Wahrnehmung gleich geblieben. Simon Rattle hat zwar in Berlin Rhythmus- und Tanzprojekte für junge Leute angeboten, in die Oper kommen trotzdem nach meinem Empfinden noch zu wenig.

Aber jüngst bei Tristan und Isolde war die Straßburger Oper doch voll von jungen Leuten.
Straßburg hat eine Musikhochschule, die Infrastruktur vor Ort macht den Unterschied. Es gibt verbilligte Karten, Stehplätze, das gilt auch für Wien oder Stuttgart. Nach dem Tristan in Mulhouse kamen vor ein paar Wochen Eltern mit ihrer siebenjährigen Tochter zu mir hinter die Bühne. Das kleine Mädchen hat sich überschwänglich bedankt – und die Eltern hatten zuvor Angst gehabt, dass sie die fünf Stunden Oper überhaupt durchsteht …

… es hat sie offenbar gepackt, es ging ihr unter die Haut, wie gelingt das?
Es gelingt, wenn man eine emotionale Glaubwürdigkeit der Figuren schafft. Dann packt es die Zuhörer schon.

Braucht es technische Perfektion, damit Gesang wirkt, die Zuhörer berührt? Sind Automatisierung und Routine die Voraussetzungen für den künstlerischen Höhenflug?
Ja, und das geht nur über üben, üben, üben. Jeder, der eine Passion hat, muss üben. Wie Dirk Nowitzki beim Basketball. Es braucht die extrem gute Vorbereitung, wenn man’s schleifen lässt, rächt sich das sofort.

Kennst Du als Sängerin diesen flow – nicht mehr an den Text denken, die Partitur, sich einfach hingeben und abheben?
Kommt nicht so oft vor. Bei Fidelio konzertant mit Kurt Masur in Paris isch’s oifach gloffa. Das Publikum war total gepackt, das spürt man auf der Bühne. Beim Bolshoi-Rosenkavalier in Moskau dieses Jahr gab es auch diese hingerissenen Momente, ganz unmittelbar, toll.

Geht man dafür auf die Bühne, vor tausenden von Menschen, für diesen Moment?
Irgendwie schon. Es ist das Bedürfnis, etwas auszudrücken, es zu teilen, wenn dann diese Resonanz kommt, ist es perfekt. Perfekt für diesen Moment. Das strebt man an, das tut einfach verdammt gut. Eben dieses teilen zu wollen, schwülstig gesagt: sich zu verströmen. Das sind dann die magischen Momente, fürs Publikum und die Sängerin.

Können Dirigenten oder Regisseure da mithelfen?
Klar, sie können unterstützen, mit Kostümen, mit Licht, mit Klangfarben. Den größten Erfolg hatte ich immer, wenn ich mir treu geblieben bin, wenn ich echt war, nur so erreicht man diese Magie. Ein Gefühl darf nicht „erzeugt“ werden, es muss aus mir entspringen.
Und dann kommen die Kritiker und stellen fest, dass Du dreimal einen halben Ton zu tief warst und zweimal einen zu hoch…
Wenn ein Abend darauf reduziert wird, tut’s weh. Viele Kollegen lesen keine Kritiken mehr, sie wissen selbst am besten, was sie falsch gemacht haben.

Aber Du liest sie …
Ja, und ich ärgere mich auch. Vor allem, wenn drei Leute total unterschiedlich urteilen und man den Eindruck hat, sie wären in drei verschiedenen Aufführungen gewesen. Aber Kritiker sind auch nur Menschen …

Publikum rast – Melanie Diener ist unzufrieden und wundert sich …
Dann war es technisch nicht perfekt, aber total emotional!

Oper – da denkt mancher immer noch an Kreischtanten in Reifröcken. Dabei kommt Oper heute oft ziemlich zeitgeistig daher …
… und das ist auch ein bisschen desillusionierend, wie Opern Moden unterliegen. Das Publikum will heute oft mehr fürs Auge, als fürs Ohr. Passionierte Zuhörer machen auch mal die Augen zu und hören nur … Es ist ja auch nicht immer leicht, für einen 1,82-Meter-Sopran wie mich einen adäquaten Tenor zu finden. Schlussendlich muss eine gelungene Oper gleichrangig etwas für Auge und Ohr bieten.

Kann man guten Regisseuren weniger gute Ideen ausreden?
Mal stand mir die verordnete gelbe Bluse so gar nicht. Man muss auch selber wissen, was für einen funktioniert. Die Bluse war nachher rot und die Idee kam natürlich vom Regisseur selbst …

Singen ist Hochleistungssport, wie „trainierst“ Du?
Genügend Schlaf, viel frische Luft, Sänger schwimmen viel, weil das gut ist für Ausdauer und Atmung, ohne dass einen das Eigengewicht beschwert. Und dann nicht zu spät und nicht zu viel essen …

Singen ist Arbeit mit dem ganzen Körper. Neurologen verordnen das Singen schwer depressiven Patienten und die sagen hinter-her: „Ich spüre mich wieder.“ Singen, sagen Fachleute auch, ist ein extrem guter Spannungsregulator.
Demnach müsste unsere hochangespannte Gesellschaft heute kollektiv dem Chorgesang anheimfallen … Sind Sänger wirklich die entspannteren Menschen?
Kann man so nicht sagen. Sänger spüren sicher ihren Körper mehr – der Psychodruck bleibt aber wie in jedem anderen Beruf, auch der selbstgemachte. Grundsätzlich aber wäre diese Welt ganz sicher ein besserer Ort, wenn die Menschen mehr singen würden.

Wenn in einer Weinhandlung italienische Musik läuft, kaufen die Leute mehr italienischen Wein. Auch das haben die Fachleute recherchiert und belegen damit, dass Musik ein Verführer ist. Kann man sich gegen solche Verführungen eigentlich wehren?
Nein! Das geht erstmal voll auf die emotionale Ebene und somit direkt ins Unterbewusstsein. Man kann aber lernen, bewusster zu hören. Was im übrigen auch manch menschlichem Gespräch gut täte …

Wie erkennt man, ob man diese große Partie heute abend definitiv nicht singen kann?
Wenn die Erkältung oben sitzt, geht’s noch, wenn sie runter rutscht, geht nichts mehr. Mir ist die Erkältung mal mitten im zweiten Akt Lohengrin in Bayreuth runtergerutscht. Irgendwie hab ich’s rumgekriegt, in der Pause kam der Arzt, Luftröhrenentzündung, nichts ging mehr. Zum Glück war Ersatz da, eine Kollegin ist eingesprungen.

Sonstige schreckliche Momente auf der Bühne?
Bolshoi-Premiere Rosenkavalier. Erster Akt. Der Dirigent ist nach zehn Minuten einfach rausgegangen. Das Orchester spielte drei Minuten lang führungslos weiter, dann übernahm der Assistent und rettete die Premiere. Der Dirigent lag mittlerweile mit schwerer Grippe im Krankenhaus.

Mehr Anekdoten, please!
Cosi fan tutte mit Claudio Abbado in Ferrara. Mein Unterrock war nicht richtig gebunden und rutschte mitten in einer Aufführung runter. Ich zog ihn dann notgedrungen einfach aus und gab ihn weiter an Despina. Die hat ihn beiseitegeschafft- und Abbado hat bloß noch geguckt … Oder diese Bühnenorchesterprobe an der Met, auch Cosi. Ich saß auf einem Hocker, der gab unter mir nach, ich bin in meinen Reifrock hineingesunken, thronte auf der Bühne wie ein weiblicher Pavarotti – wir haben uns alle weggeschmissen vor Lachen!
Applaus, Applaus, dann abschminken und ab ins Hotelbett. Fällst Du auch ins berühmte schwarze Loch?
Blöd ist das schon, man ist ja noch lange high durch diese ganze Anspannung, irgendwann bist du dann aber doch fertig. Das eigentliche Loch kommt am nächsten Tag, wenn das Adrenalin abgebaut ist. Aber das ist halt so, es gehört zur Routine.

Was hast Du Deinem Sohn Jonas früher vorgesungen – und was hat das bis heute, wo er fast 20 ist, für Auswirkungen?
„Guten Abend, gute Nacht“ zum Beispiel, aus London mal in der Probenpause sogar übers Telefon. Wenn man ihm im Kindergarten was vorgesungen hat, konnte er sofort das ganze Lied nachsingen. Inzwischen hat er andere Interessen.

Gibt es unmusikalische Menschen?
Nein! Es gibt nur Leute, die nie gelernt haben, mit Musik umzugehen. Wenn sie es aber wirklich wollen, auch später noch als Erwachsene, können sie durchaus „musikalisch“ werden. Ein Kind aber lernt noch spielerisch das Klavierspielen, viel leichter als ein Erwachsener, weil bei Kindern noch die Motorik viel besser funktioniert, sie denken einfach weniger drüber nach. Erwachsene sind im Kopf weiter, aber die Motorik hinkt hinterher.

Bist Du eine Diva?
Wenn damit Professionalität gemeint ist, ja. Die zickige Variante, die manchen Sängerinnen angeheftet wird, verstehe ich eher als PR-Gag.

Kann man reich werden als Sängerin?
Reich geworden bin ich nicht, aber ich kann gut von meinen Gagen leben. Anna Netrebko ist sicher reicher – dank Werbeverträgen. Ich habe halt nicht jene Faktoren im Angebot, auf die Werbeleute heute abfahren.

Ab wann ist man als Sängerin eigentlich alt – oder zu alt?
Das hängt nicht vom zahlenmäßigen Alter ab –eher davon, dass man als Sängerin irgendwann nicht mehr interessant ist, nicht mehr in Mode. Und natürlich, wenn irgendwann die Stimme weg ist. Man kann sich aber auch Madonna zum Vorbild nehmen, die sich seit Jahrzehnten immer wieder neu erfindet.

Der Klassikbetrieb wird oft totgesagt, wird immer mehr zur Geldfrage …
Musikkultur wird tatsächlich immer mehr an Geld gemessen, wird oft als Preisfrage gesehen, dabei gehören Kultur, Kunst und Musik seit Beginn der Menschheit zum Leben dazu. Es geht halt immer mehr ums Geld, das schlägt sich zum Beispiel auch in immer kürzeren Probezeiten nieder. Die Gagen werden weniger, Auftrittsmöglichkeiten für internationale Künstler brechen weg, ganz aktuell zum Beispiel im Zuge der Eurokrise in Spanien oder Italien.

Gibt es eigentlich Freundschaften unter Bühnenkollegen?
Don Giovanni an der New Yorker Met. Mitten in der Aufführung musste ich eine Schräge hoch, hab die Röcke gerafft, einer blieb unten, mein Fuß blieb hängen, ich bin vor 4000 Leuten auf die Fresse geknallt. Hinter der Bühne kam Rainer Trost zu mir, mein Tenor-Kollege aus dem Schwabenland: „Bisch okee?“ – „Noi“. Der Fuß wurde immer dicker, das Menuett konnte ich nicht mehr mit ihm tanzen. Nach dem ersten Akt ging’s in New York ins Krankenhaus, Bänderriss. Ich wollte heimfliegen, die Met wollte, dass ich eine Woche später bei der letzten Aufführung dabei bin, die wurde im Radio übertragen. Anna Netrebko hat mich während meines Krankenstandes im Appartement bekocht. Sie ist eine prima Kollegin. Und ich bin dann zum Finale singend mit einem koketten Schirmchen als Krückstock über die Bühne gehumpelt. – Als unlängst zwei Sängerkollegen aus Düsseldorf bei diesem schrecklichen Flugzeugabsturz in den französischen Alpen tödlich verunglückten, hatte ich auch das Gefühl, dass wir alle wieder ein bisschen enger zusammengerückt sind.

 

Melanie Dieners neuestes Projekt für Waiblingen ist die Internationale Opernwerkstatt, ins Leben gerufen zusammen mit Thomas Hampson und der Stadt Waiblingen.

Hier die Einzelheiten: https://www.internationale-opernwerkstatt-waiblingen.de/willkommen

Ora et labora

„Bete und arbeite“ – der benediktinische Leitsatz passt zwar nicht so ganz zu unserer protestantischen Michaelskirche, gibt aber recht anschaulich wieder, was gerade auf dem Waiblinger Kirchenhügel passiert: Großbaustelle an Turm und Außenfassade.

Um das gschaffige Treiben zu unterstützen und den Abschluss der Sanierungsmaßnahmen rechtzeitig zur Remstal Gartenschau 2019 voranzubringen mache ich am Wochenende eine Benefiz-Kirchenführung. Unter dem Motto „Heiden. Hexen. Jakobspilger.“ gibt es auf einem kurzweiligen Rundgang Kirchengeschichte(n) aus 15 Jahrhunderten. S’koscht nix, Spenden für die Renovierung von Michaelskirche und Nonnenkirchle sind erbeten …

Start am Sonntag 21. Oktober um 14:00 Uhr am Turm der Michaelskirche, Alter Postplatz 21, Waiblingen. Man sieht sich?

Totenkopfs Turm totalsaniert

Es tut sich was am Mühlkanal. Eine der idyllischten Ecken der Waiblinger Altstadt steckt schon seit Wochen im Stahlkorsett. Der Karzerturm unterhalb der Nikolauskirche wird generalsaniert, vom Keller bis zum Dach schick gemacht, nicht zuletzt für die Remstal Gartenschau 2019.

Karzerturm am Mühlkanal mit Baugerüst

Vorstand und Beirat des Waiblinger Heimatsvereins durften sich dieser Tage bei einer Baustellenführung durch die untere Denkmalschutzbehörde vom Baufortschritt überzeugen. Der Turm, im malerischen Ensemble mit Mauergang, Kapelltor und Apothekergarten stadtbildprägender Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung an der Rems, ist eines der ältesten heute noch erhaltenen baulichen Zeugnisse Waiblinger Stadtgeschichte. Michael Gunser, Leiter des Waiblinger Hochbauamts und Vertreter der Unteren Denkmalschutzbehörde in Waiblingen, der es sich in seiner Funktion als Beirat des Heimatvereins nicht nehmen ließ, persönlich über die Baustelle zu führen, bezeichnet das historische Gemäuer gar als einen „für viele Waiblinger identitätsstiftendenden Teil der Altstadt“.

M. Gunser, Fachbereichsleiter Hochbau / Untere Denkmalschutzbehörde; Foto: Wiedenhöfer

Die Laube auf dem Turm, lauschiger Platz mit Traumblick aufs Grün der Erleninsel, wird von maroden Holzteilen befreit und ab Frühjahr 2018 in neuem Glanz erscheinen, ohne den Zauber der, immerhin bereits aus der Biedermeierzeit stammenden, Gartenlaubenromantik zu verlieren.

Die Laube auf dem Karzer wird ausgebessert; Foto: Wiedenhöfer

Einen Stock tiefer, im eigentlichen ‚Karzer‘, dem über den Wehrgang der Stadtmauer zugänglichen Turmzimmrt, hauste von je her und haust auch zukünftig der berühmt-berüchtigte Totenkopf. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll sich dieser allerdings während der Bauarbeiten einen ruhigeren Teil der Stadtmauer als Übergangsquartier gesucht haben.

Außenmauer mit Schießscharte des Karzers; Foto Wiedenhöfer

Tatsächlich bringen die Bauarbeiten insbesondere im unteren Teil, dort, wo am Fuß der mächtigen Stadtmauer der Mühlkanal fließt, überraschendes zu Tage. Offensichtlich diente der Turm einst als befestigter Zugang zum Wasser. Zugemauerte Torbögen lassen vermuten, dass hier früher eine Art „Zwinger“, ein durch eine Schutzmauer gesicherter Weg, aus der Stadt heraus führte.

Zugemauerter Durchgang Richtung Bädertörle im Turmsockel; Foto: Wiedenhöfer

Möglicherweise diente der Bereich am großen Mühlrad hinter der Bürgermühle, die an dieser Stelle bereits seit seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt ist, als Anlande- und Umschlagsplatz und stand vielleicht sogar in baulicher Verbindung mit dem angrenzenden ehemaligen Schlossbezirk.

Das Mühlrad der Bürgermühle; Foto: Wiedenhöfer

Platz zwischen Mühlengebäude, Mühlrad und Karzerturm; Foto: Wiedenhöfer

So könnte auch ein vermuteter Zugang zum Mühlkanal aus der mächtigen verschachtelten Kelleranlage unter dem alten Dekanat und dem Nachbargebäude in der Kurzen Straße ein Hinweis darauf sein, dass der Bereich zwischen der Dreitoranlage unterhalb der Nikolauskirche und dem Bädertörle einst den direkten Zugang von der Altstadt zum Wasser ermöglichte.

Dass der Mühlkanal in diesem Bereich vor noch gar nicht allzulanger Zeit komplett anders aussah, belegt ein Foto aus den 1930er Jahren: am Fuß des Karzerturm wuchsen damals Weinstöcke. Wäre doch ein schönes Projekt für die Remstal Gartenschau 2019, diesen historischen Weinberg an der Stadtmauer wiederzubeleben! Wir bleiben dran …

Historische Aufnahme des Karzerturms in den 1930er Jahren mit Weinbepflanzung; Foto: Archiv Heimatverein Waiblingen e.V.

Weitere Informationen im Geschichtspotal des Heimatsvereins

Marzipan – Eine Geschichte vom Verlieren, Suchen, Gefunden werden und Verlieren

Rosa Budziat, November 2017

Genau drei Jahre ist es jetzt her, drei Tage vor Allerheiligen, dass die kleine graugestreifte Katze Marzipan morgens um halb fünf über die Balkontreppe im Garten verschwunden ist. Sie zu ihrer üblichen Zeit um halb sieben nicht zurückgekommen. Auch später, tagsüber und am Abend kam sie nicht mehr zurück.

Ab der ersten Minute war ich in großer Sorge. Das war noch nie vorgekommen. Marzipan war eine kluge Jägerin, verspielt und sehr auf uns Menschen bezogen, mit denen sie zusammenlebte.

Was war passiert mit Marzipan? Zettel im Dorf, Anzeigen im Ortsblättle in Korb und in den Nachbarorten… überall haben wir nach Marzipan gesucht: in Gärten, Garagen, Kellern, im Industriegebiet, am Bahnhof, an Straßenrändern. Tage- und nächtelang sind wir über die Felder gestreift und haben laut den Namen der Katze gerufen und mit der Futterbox geklappert.

Es gab viele nette Menschen, die bereitwillig ihren Keller geöffnet haben und mitgesucht haben oder Tipps gegeben habe. Marzipan blieb unauffindbar. Obwohl gechippt und tätowiert, kein Tierarzt in der Umgebung und auch das TASSO-Haustierregister konnten weiterhelfen.

Die Sorge und Trauer um Marzipan war groß. Die Wochen gehen ins Land, es wird Winter und die Hoffnung schwindet. Es ist zu kalt draußen und es ist auch zu viel Zeit verstrichen, um in einem Keller eingesperrt nicht verhungert zu sein.

Die Wohnung bleibt leer und Marzipan fehlt  – überall. 7 gemeinsame Jahre, mit Mäusen in der Nacht, vielen Schmusereien, Spielen im Garten und einem unglaublich schönen Sommer mit der Geburt von 5 kleinen Katzenjungen und einer liebevollen Katzenmama, die die Kinder in der Nachbarschaft mit ihren Tollereien beglückt haben. Sie war einfach ein Familienmitglied.

Auch zwei Jahre später gibt es immer wieder Situationen, wenn ich mit dem Fahrrad über die Felder fahre, dass ich laut nach der Katze rufe. Ein E-Mail vom Haustierregister will wissen, ob das gesuchte Tier verstorben ist, und man es abmelden möchte. Nein, das möchte man nicht. Es gibt Geschichten über Tiere, die nach vielen Jahren zurückkommen.

Mitte August diesen Jahres. Ein Anruf von einem Tierarzt in Stuttgart Degerloch. „Ihre Katze Marzipan ist in Weinstadt aufgegriffen worden. Bitte kommen Sie schnell, das Tier ist schwer verletzt“. Das kann nicht wahr sein, Freude und Angst sind ganz nah beieinander, wir haben ein altes Schmusetuch mitgenommen, damit sie sich zuhause fühlen kann …. Die Fahrt zum Tierarzt durch den Berufsverkehr nach Degerloch dauert unendlich lang.

Dann dürfen wir ins Behandlungszimmer und da liegt sie, ganz klein. Sie schläft, weil sie Beruhigungsmittel bekommen hat. Sie hat eine riesige Wunde: einen offenen Tumor, so groß wie ein Granatapfel, und bereits weitere kleine Tumoren sind anscheinend spürbar. Alle weinen, die Frau von der Katzenhilfe, die sie in Weinstadt unterm Straßenschild aufgegriffen hat, nach dem sie beim dritten Mal vorbeifahren immer noch im Regen saß und aussah, als ob sie auf was wartet.

Wir streicheln die Katze und können es nicht fassen. Die Tierärztin meint, dass das Tier zu gepflegt sei, um 3 Jahre auf der Straße gelebt zu haben. Sie vermutet, dass sie damals aufgegriffen oder einfach mitgenommen wurde und trotz Tätowierung im Ohr nicht zurückgegeben wurde. Als sie sichtbar krank wurde, hat man sie ausgesetzt. So was käme leider öfter vor.

Wir sind fassungslos vor Trauer, vor Wut und weil es ein Wunder ist, dass die Katze uns nun doch gefunden hat.  Die Tierärztin rät ab, zu operieren: zu viel Schmerzen und keine Aussicht auf Heilung. Wir sitzen im Sterbezimmer beim Tierarzt mit unserer kleinen schwerverletzten Katze und weinen und halten und streicheln sie und weinen. Sie ist immer noch die hübscheste Katze der Welt. Die offene Wunde stinkt. Marzipan hat immer nach „Blume“ gerochen.

Vielleicht merkt sie, dass wir da sind, erkennt unsere Stimmen, oder sie riecht das alte Schmusetuch aus ihrem Katzenkörbchen. Sie schläft ganz ruhig. Während wir sie halten sind wir ganz still und hören einander beim Atmen zu.

Nach einer Stunde ist die Entscheidung getroffen. Marzipan bekommt eine Spritze, damit sie sterben kann. Wir konnten uns voneinander verabschieden, weil sie sich hat finden lassen. Was für ein Zufall, fast ein kleines Wunder. Ein kleines Wunder mit traurigem Ausgang.

 

Warum ich das jetzt schreibe?

Weil es mich unfassbar traurig macht, wie wir mit Tieren umgehen, wie wenig Respekt wir vor Lebewesen haben, die uns anvertraut sind.

Weil ich wissen möchte, wo meine Katze die letzten drei Jahre war und bei wem? Wer hat sie mir möglicherweise weggenommen?  Oder, wer hat sie, wenn sie sich wirklich verlaufen hatte, nicht zum Tierarzt gebracht, damit sie zu mir  zurück kann und sie dann nicht zum Tierarzt gebracht, als sie krank wurde, weil man sich die Tierarztgebühr sparen kann? Über Hinweise freue ich mich.

Und ich schreibe es, weil ich Danke sagen möchte, an alle die, die Tieren in Not helfen und dafür Zeit und Geld und viel Engagement einsetzen.

In unserem Fall war es die Katzenhilfe Stuttgart e.V.

Wer helfen mag, hilft:
Spendenkonto IBAN: DE03 6005 0101 0002 8195 98 | BIC SOLADEST600

 

Wer Informationen für mich hat, kann mich gerne anschreiben oder anrufen:
info@rosa-budziat.de oder 0163 275 76 98

 

 

 

 

 

Groove Inclusion: so beeindruckend, so berührend

Groove Inclusion beim Weltkongress in Russland:

Hallo verehrte Fans von Groove Inclusion,
hier ganz aktuell ein Kurzbericht mit Bildern von unserem großartigen, sehr berührenden Trip nach Jekaterinenburg, verfasst vom Redaktionsteam Rosa Budziat, Timo John und Heiner Riesle.

 

6. September 2017,
Erster Tag Weltkongress

23 MusikerInnen von Groove Inclusion, Sozialdezernentin Petra Bittinger, Stiftungsvorstand Karl-Otto Völker und Geschäftsführer der Sparkassenstiftung Dr. Timo John, bilden die Delegation des Rems-Murr-Kreises auf dem ersten Weltkongress für Menschen mit Behinderung in der Hauptstadt des Urals, Jekaterinburg, Russland. 

Gestern Nacht um 3 Uhr Ortszeit traf Groove Inclusion ein und der Mittwoch, der 6. September   wurde für die Akklimatisierung in der drittgrößten Stadt Russlands dringend benötigt.

Auf dem Tagesprogramm stand Stadterkundung mit Besuch des neuen Boris Jelzin Museums. Der Vertreter des deutschen Generalkonsulats, Ludwig Neudorfer, der im Übrigen auf dem Staufer-Gymnasium in Waiblingen seine ersten Russischkenntisse erwarb, begrüßte die Bandmitglieder mit einer Einladung zum Mittagessen.

Überall in der Stadt kann man mittlerweile auf weitere teilnehmende Gruppen am Kongress treffen. Sie kommen aus Ostfildern, Ansbach, Basel, Flandern, Norwegen, Australien und der ganzen Welt. Am Donnerstagabend wird mit Fahnen aller beteiligten Länder und Musik von Groove Inclusion der Kongress eröffnet.

Zweiter Tag Weltkongress

Putin begrüßt seine Gäste aus dem Rems-Murr Kreis Eröffnung des ersten Weltkongresses für Menschen mit Behinderungen in Jekaterinburg, Russland, der Hauptstadt des Urals

Wladimir Putin ließ es sich nicht nehmen, ein persönliches Grußwort vom Ministerpräsidenten der Region Sverdlovsk verlesen zu lassen. Putin unterstrich darin die Bedeutung des Kongresses für die Behinderten Menschen in Russland. Dabei sprach er auch von einem Programm 2020, mit dem die Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen im Land deutlich verbessert werden sollen. Zur Eröffnung des Kongresses kamen Menschen aus der ganzen Welt. Die Feierlichkeit beeindruckte und berührte durch
künstlerische Darbietungen aller Art. Der Bogen wurde gespannt von Akrobatik, Musik und Zauberei. Groove Inclusion, die Band der VHS Unteres Remstal, repräsentierte Deutschland vor der Welt.

Ab Freitag wird zwei Tage gearbeitet, mit zahlreichen Workshops und Auftritten.

Dritter Tag

Wir sind ungewöhnlich aber gleich! Ein Kongressteilnehmer aus Kirgisistan sagte auf dem Podium den bemerkenswerten Satz: Auch wenn ich keine Arme und Beine habe, bin ich glücklich. Ich bin glücklich, weil ich gehört und geliebt werde.

Die Initiatorin des Kongresses Vera Simakova brennt dafür, Möglichkeiten zu schaffen, damit sich Menschen mit Behinderungen über Kunst, Musik, Tanz und anderen kreativen Ausdrucksformen über Sprach- und kulturelle Grenzen hinweg setzen. Jede teilnehmende Nation, von der Schweiz bis Neuseeland und von Waiblingen bis Taipeh präsentierte dafür ein Beispiel.

Über den Tag fanden zahlreiche Workshops statt, in denen getanzt, gegroovt und diskutiert. Eine kleine Delegation aus Waiblingen wurde vom deutschen Generalkonsul, Herrn Keil, zu einem kleinen Empfang eingeladen. Dabei betonte der Generalkonsul, dass er „Deutschland durch Groove Inclusion wunderbar vertreten fand“. Er sieht dabei ein Beispiel, wie unterschiedliche Gruppen in der deutschen Zivilgesellschaft gut miteinander klar kommen.

Am Abend wurden alle KongressteilnehmerInnen in die Philharmonie von Jekaterinburg zu einem großartigen Konzert eingeladen. Es gab begeisterten Applaus und der Tag fand einen gelungenen Abschluss.

Vierter Tag 

Der große Auftritt: Groove Inclusion trat heute vor großem Publikum auf.

Am 3. Tag des Weltkongresses für Menschen mit Behinderung in Jekaterinburg war der Haupttag der künstlerischen Darbietungen. Wegen Regens musste die Veranstaltung vom Stadtpark in die Halle verlegt werden. Die russischen Gastgeber überzeugten mit ihrem Improvisationsgeschick. Immer wieder begegneten sich Menschen aus aller Herren Länder zum gemeinsamen Austausch. Adressen wurden getauscht und Groove inclusion hat bereits zwei Einladungen zu Konzerten, eine nach Norwegen und eine nach Israel. Dass Musik verbindet, das Konzert von Groove Inclusion wurde viel beklatscht und die Bandmitglieder wurden gleich von mehreren Zeitungen und Radiosendern interviewt.

 

Fünfter Tag

Es war eine rauschende Ballnacht: Feierlich ging der erste Weltkongress der behinderten Menschen in Jekaterinburg zu Ende.

Beeindruckend war das Abschlussforum, das einen vielschichtigen Überblick über Inklusionsprojekte in der ganzen Welt gab. Die Kongressresolution weist darauf hin, wie wichtig weltweit die Einbeziehung von Menschen mit Einschränkungen in gesellschaftliche Prozesse ist.

Immer wieder wurden Mitglieder von Groove Inclusion von begeisterten Kongressteilnehmern auf die wunderbare Musik und die Energie angesprochen, die bei den Auftritten der Band zu merken war. Verwundert war man stets, dass bei Groove Inclusion kein spezielles Konzept zugrunde liegt, sondern sich die 27 Bandmitglieder, von denen 15 behindert sind, lediglich zum Musikmachen treffen und Freude daran haben miteinander zu spielen und aufzutreten. Das ist gerade das Besondere an der Band
Es hat bereits mehrere Anfragen für weitere Auftritte gegeben. In den letzten fünf Tagen mussten immer wieder Autogramme gegeben werden und zahlreiche Selfies wurden gemacht. Die Stimmung auf dem Kongress war die ganze Zeit über fröhlich und harmonisch. Der letzte Höhepunkt war der Abschlussball, bei dem ein klassisches Orchester zu Polka, Polonaise und Walzer aufspielte, wozu ausgelassen getanzt wurde.

Bei der bandeigenen Schlussauswertung nachts im Hotel waren sich die Bandmitglieder und ihre drei BegleiterInnen aus dem Landratsamt und der Kreissparkassenstiftung darüber einig: Der Kongress war ein besonderes Ereignis und der Spirit von Groove Inclusion aus dem Rems-Murr-Kreis wurde in die Welt hinausgetragen und inclusive Grüße aus Jekaterinburg – Russland gehen zurück nach Waiblingen – Germany.

Selten erlebt man so viele glückliche und fröhliche Menschen beieinander.

http://kongress2017.ru/neues

Groß und Klein

Kleinere Bauarbeiten am Bädertörle Richtung Stadt.

Allerorten sind in der Waiblinger Innenstadt Bauarbeiten zu finden.

Kleine Kunstwerke bereichern die Stadt (mehr dazu hier)

und große Bagger gestalten künstliche Remsinseln.
Sie sind die ersten sichtbaren Boten der Gartenschau 2019.

Es gibt wahrlich viel zu entdecken!

Die erste Insel ist schon fertig, an der zweiten wird noch gebaggert.

Essen retten

Warum im Foyer des Andreä-Hauses neuerdings ein öffentlicher Kühlschrank Appetit machen soll

von Iris Förster und Gisela Benkert

Was tun mit diesem vollen Wäschekorb? Drin liegen 13 Tetrapacks und zwei Flaschen Frischmilch, alle mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Drumherum noch ein leckerer Kokos-Zitronen-Joghurt und drei angewelkte Salatköpfe. Du willst das Zeug schnell loswerden und gehst hausieren- bei Nachbarn und Bekannten. Es handelt sich hier schließlich um eine echte Rettungsaktion.

Wie bitte? Des Rätsels Lösung: Der öffentliche Kühlschrank im Waiblinger Jakob-Andreä-Haus macht eine Woche Pause und musste schnell ausgeräumt werden, ehe die Lebensmittel ungenießbar sind. Öffentlicher Kühlschrank?? Dahinter verbirgt sich ein Foodsharing-Modell, „Fair-Teiler“ genannt. Waiblingens erster öffentlicher Kühlschrank steht im Vorraum des Jakob Andrea-Hauses in der Alten Rommelshauser Straße und nimmt alles auf, was noch essbar ist. Um es anschließend wieder an all jene abzugeben, die hierherkommen, weil sie lieber Essen retten als es wegzuwerfen.

Lässt Einblick nehmen – der neue FairTeiler im Jakob-Andreä-Haus

Rund 80 kg Lebensmittel landen in Deutschland pro Kopf in der Tonne. Das hat unterschiedliche Ursachen: Viele Lebensmittel finden gar nicht erst den Weg in den Laden, weil sie bereits auf dem Acker aussortiert werden, wenn Sie in Form, Größe und Farbe nicht der Norm entsprechen, andere werden im Großhandel oder im Einzelhandel großzügig entsorgt sobald oder gar bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten wurde, weitere Lebensmittel werden in privaten Kühlschränken schlecht, weil sie schlicht und einfach vergessen wurden.

Gegen diese gigantische Lebensmittelverschwendung formt sich seit geraumer Zeit Widerstand. In vielen Städten in Deutschland gibt es Foodsharing-Gruppen, die zum Beispiel mit Lebensmittelhändlern kooperieren und nach Ladenschluss die Lebensmittel abholen, die ansonsten im Müll landen würden. Freiwillig, unkompliziert und engagiert verteilen sie all das ausgemusterte Essbare im Bekanntenkreis – oder sie legen es eben in solch öffentliche Kühlschränke. In Stuttgart gibt es derer zwei, einer davon steht auf dem Grundstück einer Studenten-WG und wird auch von den Bewohnern betreut. Klappt prima.

Eine weitere Form des Verteilens ermöglicht die Plattform Foodsharing.de, auf der man nach Anmeldung virtuell sogenannte Essenkörbe mit abzugebenden Nahrungsmitteln einstellen kann, die dann von interessierten Verbrauchern abgeholt werden.

In Waiblingen waren Foodsharing-Botschafter Michael Neumann und Iris Förster schon seit längerem auf der Suche nach einem geeigneten Standplatz für den Fairteiler, also den öffentlichen Kühlschrank. Mit der evangelischen Michaelskirchengemeinde und der Alternativen Liste (ALi) Waiblingen haben die beiden zwei ideale Kooperationspartner gefunden – die Kirchengemeinde stellt Platz und Strom im Gemeindehaus zur Verfügung, die ALi spendete einen Getränkekühlschrank. Die riesige Glastür verschafft einen raschen Überblick übers vorhandene Sortiment. Zuletzt war der Kühlschrank gut gefüllt mit verschiedenen Blattsalaten, Pastinaken, Erdnussbutter, Rhabarber, Rettich, Sellerie, Marmelade – und eben mit ganz viel Milch.

Am Kühlschrank sind die Regeln aufgehängt, nach denen bestückt und entnommen werden darf, so dass das Konzept auch bei einer Lebensmittelkontrolle gut wegkommt. So ist es beispielsweise nicht erlaubt, Waren mit Verbrauchsdatum (wie Hackfleisch oder rohes Geflügel) abzugeben. Das MHD hingegen, das angibt, ab wann der Verkäufer keine Gewährleistung mehr für die Qualität des Produkts übernimmt, darf überschritten sein. Diese Lebensmittel gelten weiterhin als verkehrsfähig. Michael Neumann und Iris Förster kontrollieren darüber hinaus täglich die Kühlschranktemperatur und den Inhalt und entsorgen, falls etwas nicht mehr genießbar sein sollte.

Die Regeln

Da das Haus in den Pfingstferien nur eingeschränkt zugänglich ist, wurde der Kühlschrank am letzten Freitag leergeräumt, gereinigt und ausgeschaltet und wird zum 12. Juni wieder in Betrieb genommen.
Die Milch aus dem Wäschekorb schmeckte übrigens auch fünf Tage nach Überschreiten des Haltbarkeitsdatums noch hervorragend! Und über den Salat haben sich letztlich noch die Hühner gefreut.

Erster Feinstaubsensor in Waiblingen am Start

Jetzt ist es so weit, der erste Sensor, der Feinstaubwerte für Waiblingen ermittelt, ist installiert. Im Rahmen des Luftdatenprojekts des Stuttgarter OK Lab wurden gestern insgesamt 14 Sensoren zusammengebaut. Nach und nach werden diese jetzt in der interaktiven Karte auftauchen. Wer sich aktuell informieren will, geht auf waiblingen.maps.luftdaten.info

 

Frank Riedel, der den Workshop für uns durchführte, berichtet auf seinem Blog: https://riedelwerk.wordpress.com/2017/03/23/843-feinstaub-vortrag-und-basteln-in-waiblingen/

Danke Frank! Das war wirklich ein gelungener Abend.