Frisch verliebt

„Wunderschöner Garten Gottes“ – so soll Kaiser Josef II im Jahr 1777 bei einer Reise durch Württemberg das Remstal bezeichnet haben. Ob’s stimmt oder nicht durften wir alle jetzt selbst überprüfen. Es galt, das Naturparadies direkt vor unserer Haustüre neu zu entdecken. Die Remstal Gartenschau hat in den vergangenen 164 Tagen das 78 Kilometer lange Flusstal zwischen Essingen und Neckarrems nachhaltig verändert.

Neugestaltet und neu erlebt. Während im Amazonas medienwirksam die Urwälder brennen, in den Anden die Wüsten für Seltene Erden zerstört werden, die Meere mit Plastik geflutet und die Tundra durch Ölleitungen seziert wird, zeigt die Remstal Gartenschau, was regionale Naturverbundenheit bewegen, was nachhaltiger Umgang mit Flora und Fauna im direkten persönlichen Umfeld für Nutzen bringen kann. Renaturierte Uferzonen, Spielplätze für die Kleinen, Fahrrad- und Wanderwege für die Großen. Biergärten, idyllisch in bestehende Landschaftssysteme integriert, historische Altstädte an den Fluss neu angebunden. Das alles macht Sinn. Das alles macht Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist mit Klimawandel, Erderwärmung und Naturzerstörung – dass wir den Blick nicht verloren haben auf das was uns wichtig ist und letztendlich unser Überleben sichert. Bitte, es geht doch!

Ein herrlich buntes Mosaik von Spiegelungen in der Rems hat meinen Blick auf die Heimat neu geschärft. Hinter jeder Flussbiegung gab’s was Neues zu entdecken. Nicht gekannte Ein- und Ausblicke auf die Natur, die Menschen, die Landschaft und das unglaublich breite kulturelle Angebot. Eine Spielwiese für jedes Alter, eine Bühne für Pflanzen und Menschen. Und eine Plattform, sich der Heimat neu zu nähern, diesen angestaubten Begriff frisch zu überdenken. Zu erkennen: wer sich die Mühe macht, genauer hinzusehen, kann die Heimat, diesen sentimentalen Sehnsuchtsort, neu entdecken. Nicht digital, nicht global, trotzdem modern und zeitgemäß. Auf zu neuen Ufern!

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Die Erleninseln in Waiblingen

Ein herzliches DANKESCHÖN an die 16 Städte und Gemeinden, die das alles möglich gemacht haben. Dank an die Kommunen, die mutig investiert haben. Dank an alle Vereine, Organisationen und ehrenamtlich Engagierten, die sechs Monate im Sommer des Jahres 2019 zu einem für das Remstal unvergesslichen Ereignis gemacht haben. Sechs Monate, die mich verzaubert zurück lassen. Frisch verliebt. Hals über Kopf. Ins Remstal.

Sommerabend im Remstal bei Endersbach

Titelfoto: Am ‚Remsstrand‘ in Waiblingen (alle Fotos: W. Wiedenhöfer)

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Groß und Klein

Kleinere Bauarbeiten am Bädertörle Richtung Stadt.

Allerorten sind in der Waiblinger Innenstadt Bauarbeiten zu finden.

Kleine Kunstwerke bereichern die Stadt (mehr dazu hier)

und große Bagger gestalten künstliche Remsinseln.
Sie sind die ersten sichtbaren Boten der Gartenschau 2019.

Es gibt wahrlich viel zu entdecken!

Die erste Insel ist schon fertig, an der zweiten wird noch gebaggert.

Baubeginn in der Talaue

Jetzt wird’s ernst.
Die ca. 220 Pflöcke für die Bäume sind bereits gesetzt.
Das Bild entstand am 08.03.2017

Von den für die Kunstlichtung veranschlagten 540.000 Euro übernimmt übrigens die Eva-Mayr-Stihl-Stiftung mindestens 300.000 Euro. Wen wundert es da noch, dass die Lichtung in Form des Grundrisses der Galerie Stihl Waiblingen gepflanzt wird?

Nachtrag:


Oh Schreck! Nichts ist ihnen heilig.
Die Kapelle für einen sterbenden Baum, die Helmut Stromsky 1995 im Zuge der Landeskunstwochen geschaffen hat, wurde heute im Rahmen der Baumaßnahmen für die Kunstlichtung entfernt. Auf Nachfrage beim Bauleiter der Firma Link mit Genehmigung der Stadt.

Die Stadtverwaltung spricht in ihrer Pressemitteilung vom Zahn der Zeit, der an dem Kunstwerk genagt habe. Die Standfestigkeit sei nicht mehr gegeben gewesen.

 

Dazu merkt Gerhard Kiunke aus Wailbingen an:

Sehr geehrter Herr Andreas Hesky

Kein guter Start für die unnötige Kunstlichtung.
Wieso kommt die Wahrheit nur auf Nachfrage und auch nur auf Nachfragen von Bürgern zutage? Und dann wieder nur scheibchenweise.
Es ist schon ein riesiger Unterschied, ob man lediglich sagt: „ die Standfestigkeit war nicht mehr gegeben“ oder „das Kunstwerk wurde bei den Bauarbeiten für die Kunstlichtung beschädigt, verlor dadurch seine Standfestigkeit und wurde beseitigt.

Wieso stellt man die Standfestigkeit nicht wieder her?
Wenn etwas beschädigt wird könnte derjenige auch dafür sorgen, dass es wieder in Ordnung gebracht wird.
Wer ist in diesem Fall verantwortlich?
Auch wenn Sie laut und deutlich betonen, dass dieses Naturkunstwerk nicht wegen der Kunstlichtung beseitigt wurde – ein Geschmäckle bleibt.

 

Kunstlichtungswahnsinn

27.09.2016, Iris Förster

Die für die Gartenschau 2019 angedachte Kunstlichtung entpuppt sich immer wieder als riesengroßes Ärgernis. Die Ideen der Planer haben wenig mit der Realität und natürlichem Baumwuchs zu tun. Im Gegenteil: Es geht darum, mitten auf einer freien Wiese Bäume zu pflanzen, um eine Lichtung zu erzeugen. Schilda liegt offensichtlich ganz nah bei Waiblingen.

Bruno Lorinser vom NABU Waiblingen verdeutlicht auf einer Zusammenstellung, was es heißt, 225 Silberweiden auf die vorhandene Fläche zu verteilen.

plan-1Die im Plan hellgrün markierte Fläche
steht für die Kunstlichtung theoretisch zur Verfügung.
Sie umfasst ohne die Streuobstbäume,
die auf die ehemalige Remsschlinge gepflanzt wurden,
eine Fläche von 2,86 ha.

 

 

Nach den Ideen der Gartenschau-Planer wird die Wiese mit Bäumen bepflanzt, in deren Mitte eine Lichtung entsteht, die für kulturelle Events genutzt werden kann.

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Zur Pflanzung vorgesehen sind hier Silberweiden.
Allerdings nicht in ihrer natürlichen buschigen Wuchsform sondern als Hochstammbäume mit hohem pflegerischen Aufwand.

Das Ergebnis sieht dann im Plan so aus:

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Allerdings hat eine ausgewachsene Silberweide einen Durchmesser von 14-15 m, das macht einen Flächenbedarf pro Baum von 153 m² (abgerundet).

Bei 225 Bäumen bräuchte man also mindestens eine Fläche von 3,44 ha. Das unten stehende Bild verdeutlicht dies.
Wir bekommen also in den folgenden Jahren keinesfalls einen lichtdurchfluteten Baumring, wie die oben stehende Skizze glauben machen will, sondern einen dichten Wald anstelle einer schönen weiten Wiese.

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Fazit: Die Ideen der Gartenschauplaner liegen fernab jeglicher Realität und erfordern zudem in den Folgejahren einen hohen pflegerischen Aufwand.

Ich frage mich: Ist dieser Wahnsinn noch zu stoppen? Eine Möglichkeit dazu bietet immerhin die Online-Petition, zu der dieser Link führt:

https://weact.campact.de/petitions/unsinnige-remstalgartenschau-ideen-der-stadt-waiblingen-stoppen

 

Streit über das Projekt „Talaue 4.0“

Dieser Artikel war am 12. Mai 2016 in der Stuttgarter Zeitung zu lesen. Wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung der Autorin Annette Clauß.

Waiblingen Der Landschaftspark entlang der Rems soll im Hinblick auf die Remstalgartenschau 2019 aufgewertet werden. Über die Projekte hat nun der Gemeinderat teils kontrovers diskutiert. Insbesondere die „Kunstlichtung“ gefällt nicht jedem. Von Annette Clauß

Ziemlich turbulent ist eine Sondersitzung des Waiblinger Gemeinderats am Dienstagabend verlaufen: Das bestimmende Thema war dabei die Remstalgartenschau im Jahr 2019, für welche der Gemeinderat einen Masterplan mit knapp zehn Schwerpunktprojekten beschließen sollte. Deren Umsetzung, so schätzt man vonseiten der Verwaltung, wird rund 3,4 Millionen Euro kosten. Eine Summe, die so manchem Gemeinderat angesichts der künftig voraussichtlich wenig rosigen finanziellen Situation der Stadt großes Unbehagen bereitet.

Die Fraktion der Alternativen Liste (Ali) hatte daher beantragt, die Gesamtbaukosten der Stadt auf zwei Millionen Euro zu deckeln, die SPD-Fraktion forderte in einem Antrag, jede der Maßnahmen einzeln auf „Sinnhaftigkeit, Notwendigkeit und mögliches Einsparpotenzial“ zu prüfen.

Bernd Wissmann von der Bürgerliste Bittenfeld (BüBi) meinte: „Der Masterplan ist gut, aber die Kosten haben mich schon etwas schockiert.“ Heftig diskutiert haben die Räte insbesondere über die „Kunstlichtung“. Nach den Vorstellungen des Planungsbüros RMP aus Bonn sollen dazu als Ableger der Galerie Stihl auf einer großen Wiesenfläche in der Talaue mehrere Hundert Bäume kreisförmig gepflanzt werden. In deren Mitte soll so eine künstliche Lichtung geschaffen werden, auf der Lesungen oder Konzerte veranstaltet werden können. Kostenpunkt: rund 560 000 Euro.

Die Idee fanden nicht alle Gemeinderäte gut. Während Hans-Ingo von Pollern (CDU) die „Kunstlichtung“ als „hochattraktiv“ bezeichnete und Volker Escher (DFB) von einem „tollen Projekt“ sprach, verwies Alfonso Fazio (Ali) auf die Folgekosten bei der Pflege der Bäume und bezeichnete die bestehende Wiese mit ihrer Wildblumenpracht als „Schatz an sich“. Der Planer Stephan Lenzen betonte, die Wiese solle weiterhin maximal zweimal im Jahr gemäht werden, nur die Lichtung müsse öfter gekürzt werden. Seiner Vorstellung nach könnten die Besucher Letztere über einen Weg, aber auch aus allen Richtungen und quer über die Wiese erreichen.

Roland Wied (SPD) betonte, diese schöne Fläche in der Talaue sei eine Seltenheit, „ein Wert, den wir dann nicht mehr haben“.

Julia Goll (FDP) merkte an, eine mit Bäumen bepflanzte Fläche müsse nicht ökologisch wertvoller sein als eine Wiese: „Ich hätte da gerne mal die Meinung eines Naturschutzfachmanns.“ Im Hinblick auf andere Waiblinger Gartenschau-Projekte kritisierte sie „den Geist der Versiegelung, der sich durch diesen Masterplan zieht“. Bei Juliane Sonntag (SPD) fand die Idee der „Kunstlichtung“ Anklang, sie schlug aber vor, sie mehr am Rand der Wiese zu platzieren, denn diese sei erhaltenswert.

Der Oberbürgermeister Andreas Hesky reagierte ungehalten auf die Kritik. Er sieht die „Kunstlichtung“ als zentrales Element der Gartenschau, bei der die Talaue zur „Talaue 4.0“ werde, sprich „aufgewertet und ertüchtigt“ werden solle. Gerade wegen dieser „Kunstlichtung“ habe man doch das Büro RMP beauftragt, und wegen dieser „famosen Idee“ blicke „jeder mit Neid auf Waiblingen“. Auch bei der Bürgerbeteiligung habe es keinen Widerstand dagegen gegeben. Der Rathauschef setzte dem Gemeinderat quasi die Pistole auf die Brust: „Wenn wir das Thema nicht umsetzen sollten, ist ein Stück weit die Beauftragungsgrundlage für das Büro RMP weg.“ Im Übrigen habe die Eva-Mayr-Stihl-Stiftung bereits eine Spende zwischen 300 000 und 500 000 Euro in Aussicht gestellt. Auch die Baubürgermeisterin Birgit Priebe konnte die Kritik nicht nachvollziehen – den Masterplan habe man doch bereits im Oktober diskutiert: „Warum sind Sie damals nicht auf die ‚Kunstlichtung’ eingegangen?“ Das wiederum sahen die Kritiker anders. „Es gibt da wohl ein Kommunikationsproblem“, sagte Julia Goll, „ich erinnere mich an durchaus kritische Stimmen zur ‚Kunstlichtung‘. Dass das ganze Projekt mit der ‚Kunstlichtung‘ steht und fällt, war nicht klar.“

Es habe ja auch andere Ideen zum Thema Kunst gegeben. So sei von einem Skulpturenpfad die Rede gewesen. Im Oktober habe man der Planungskonzeption zugestimmt – aber mit der Zusage der Verwaltung, „dass alles zur Disposition steht und wir alles noch diskutieren können“, sagte Alfonso Fazio. Seine Reaktion: „Ich lasse mich nicht erpressen.“ Die „Kunstlichtung“ wurde dann aber mit einer Enthaltung, 18 Ja-und elf Nein-Stimmen auf den Weg gebracht.

 

Kommentar: Fragwürdige Taktik

Überrumpelt Die Stadträte sind möglicherweise bewusst spät über die Projektdetails informiert worden. Von Annette Clauß

Die Talaue ist ein kostbares Stück Waiblingen – da sind sich alle einig. Und eines ist ebenfalls klar: Egal, wie man zur Idee einer Kunstlichtung steht, das Projekt, bei dem rund 300 Bäume gepflanzt werden, wird das vertraute Bild der weiten Wiesenlandschaft nachhaltig verändern. Insofern ist es richtig und wichtig, sorgfältig zu überlegen, ob das gewünscht ist. Und so muss ein Gemeinderat ausführlich darüber diskutieren dürfen. Dass sich zumindest ein Teil des Gremiums am Dienstagabend von der Verwaltung überrumpelt und unter Druck gesetzt fühlte, kann man als Zuhörer gut nachvollziehen.  Das Argument, man habe die Projekte bereits vor Monaten vorgestellt bekommen und genug Zeit zum Überdenken der Pläne gehabt, entspricht nicht ganz den Tatsachen. Die damals vorgelegten Entwürfe waren allenfalls Skizzen dessen, was eventuell sein könnte. Nachfragen wurden eher nebulös beantwortet, nach dem Motto: Wir sind ja noch ganz am Anfang.

Die entnervte Reaktion des Oberbürgermeisters auf die Kritik an der Kunstlichtung ist also nicht gerechtfertigt. Und die Behauptung, die Bürgerschaft stehe hinter dem Projekt, ein bisschen vermessen: Sie hat bislang ebenso wenig Details über das Projekt erfahren wie ihr Gemeinderat. Laut der Verwaltung hat das Landratsamt keine ökologischen Bedenken gegen eine Baumpflanzung in der Talaue. Die Wildblumenwiese, so die Planer, solle erhalten bleiben. Die Besucher aber sollen die Lichtung aus allen Himmelsrichtungen quer über die Wiese ansteuern. Man muss kein Landwirt sein, um zu wissen: Das ist das Ende einer Blumenwiese. Sobald das Gras höher steht, wird es niedergetrampelt. Es wird also öfter als bisher gemäht werden, was nicht zur Pflanzenvielfalt beiträgt. Eine Mehrheit der Gemeinderäte hat nach einer Diskussion entschieden, dass die Kunstlichtung wichtiger ist. Das ist legitim – und ganz im Sinne des Oberbürgermeisters. Trotzdem darf diese Taktik in Zukunft keine Schule machen.